Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Großbritannien: Ex-Premierminister Tony Blair: Jetzt singt er Loblieder auf Europa

Großbritannien

Ex-Premierminister Tony Blair: Jetzt singt er Loblieder auf Europa

    • |
    Tony Blair bei seiner Rede vor den Arbeitgebern in London.
    Tony Blair bei seiner Rede vor den Arbeitgebern in London. Foto: imago

    Erst im Januar war Tony Blair wieder einmal verhaftet worden. Der ehemalige britische Premierminister saß gemütlich mit seiner Familie in einem Londoner Restaurant, als ihm plötzlich der Barkeeper die Hand auf die Schulter legte und sagte: „Herr Blair, das ist eine Bürgerfestnahme wegen Ihrer Verbrechen gegen den Frieden.“

    Blair wegen Irak-Krieg in der Kritik: Medien nannten ihn "Bushs Pudel"

    Blair reagierte gelassen. Fünf Mal war Derartiges schon passiert. Angestoßen werden diese Aktionen von einem Journalisten, der die Website arrestblair.org betreibt. Er ruft dazu auf, Blair symbolisch festzunehmen, weil er entschieden hatte, „einen illegalen Krieg gegen den Irak zu starten“.

    Der Irak-Krieg könnte als das politische Trauma des Tony Blair bezeichnet werden. Bis heute überschattet er seine zehnjährige Amtszeit in der Downing Street 10. Was er auch versucht, in großen Teilen der Bevölkerung ist sein Ruf ramponiert, hatte er doch nach den Terroranschlägen des 11. September die US-Regierung fast bedingungslos unterstützt. 2003 war Großbritannien an der Seite der USA in den Irak einmarschiert – ohne UN-Mandat und gegen den Willen der meisten Briten. Medien schmähten Blair als „Speichellecker“ und „Bushs Pudel“.

    Nach seinem Rücktritt 2007 tauchte er ab und reiste als Sondergesandter des Nahost-Quartetts durch die Welt. Seine Meinung zur aktuellen Politik behielt er für sich. Dann siegten die Rechtspopulisten der Unabhängigkeitspartei Ukip bei der Europawahl. Seither kann sich der Europafreund Tony Blair nicht mehr zurückhalten. Er hält Vorträge und gibt Interviews.

    Tony Blair verteidigt Europa

    Am Montag sprach der Sozialdemokrat vor dem Arbeitgeberverband CBI in London, und es schien, als sei er wieder der alte Tony Blair, der schillernde Polit-Star, der Großbritannien in den 90er Jahren zu einem Erfolgsmodell in Europa machte. In seiner flammenden Rede forderte er, sich von der Rechten nicht einschüchtern zu lassen. Ihr Erfolg sei ein „Weckruf“. Die Wahlergebnisse, so meinte er, „weisen auf tief liegende Ängste, Misstrauen und Entfremdung von den Institutionen und Kerngedanken Europas hin“. Man brauche radikale Reformen.

    Das Selbstbewusstsein des 61-Jährigen hat in all den Jahren nicht gelitten. Der frühere Anglikaner, der zum römisch-katholischen Glauben konvertierte, ist außer den Liberaldemokraten zurzeit der einzige britische Politiker, der sich traut, ein Loblied auf Europa zu schmettern. Anders als Premierminister David Cameron folgte Blair stets einem pro-europäischen Kurs. Er konnte damit Wahlen gewinnen.

    Blair war jüngster britischer Premierminister

    Als Blair und seine Labour-Partei 1997 die Macht übernahmen, gehörte die Öffnung gegenüber der EU zu seinen Kernpunkten. Blair war mit 43 Jahren der jüngste britische Premierminister seit 1812 und galt mit seiner jugendlichen Frische als Hoffnungsträger der politischen Linken. Der „Leichtfuß“, wie er zu Beginn seiner Amtszeit genannt wurde, sanierte den Staatshaushalt, bekämpfte die Inflation, setzte auf einen flexiblen Arbeitsmarkt und freies Unternehmertum, und er führte den Mindestlohn ein. Obwohl der Oxford-Absolvent als Anwalt Gewerkschaftsrecht bearbeitet hatte, beschnitt er als Labour-Vorsitzender den Einfluss der einst mächtigen Gewerkschaften.

    Als die EU 2004 um zehn Länder erweitert wurde, öffnete Blair den britischen Arbeitsmarkt sofort für neue EU-Länder wie Polen. Die Ausländer wurden gebraucht. Mit 13000 Osteuropäern wurde gerechnet, hunderttausende kamen. Damals freute sich die Regierung über die Massenimmigration, heute schießen die Zahlen wie ein Boomerang zurück. „Ukip sollte Tony Blair für ihren Wahlerfolg danken“, titelte eine Zeitung.

    Will Tony Blair zuruück in die Politik

    Seit der Europawahl spekulieren viele Briten über die Gründe für den Zeitpunkt von Blairs Intervention in die Debatte um den EU-Kommissionschef. Premier Cameron lehnt Jean-Claude Juncker ab. Und auch Blair sagte, es sei eine „falsche Vorstellung“, dass der Luxemburger Kommissionspräsident werden müsse. „Die beste Person muss am Ende den Job machen.“ Hält er sich selbst für die beste Person? Möchte er zurück auf die europäische Bühne? Blair wies den Verdacht, dass das sein Ziel sei, von sich. Doch er wollte schon einmal nach Brüssel. 2009 galt er lange als Favorit für die EU-Ratspräsidentschaft, wurde dann aber, auch mit Angela Merkels Hilfe, aus dem Rennen geworfen.

    Vergangene Woche hat sich Blair zu einem Gespräch mit der Kanzlerin über die Zukunft Europas getroffen, am Montag verlangte er vom Europäischen Rat, eine Reformagenda aufzusetzen. Die Gerüchteküche ist angeheizt: Im November endet die Amtszeit des Ratspräsidenten Herman Van Rompuy.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden