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Großbritannien: Düsteres Szenario: So könnte der Tag nach dem Brexit aussehen

Großbritannien

Düsteres Szenario: So könnte der Tag nach dem Brexit aussehen

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    Der britische Premierminister David Cameron wird sich nach einem Brexit nicht lange im Amt halten können.
    Der britische Premierminister David Cameron wird sich nach einem Brexit nicht lange im Amt halten können. Foto: Facundo Arrizabalaga (dpa)

    Es war eine unruhige Nacht. Premierminister David Cameron ist nur kurz eingenickt, die Kollegen von der Presse hatten auch schon einmal besser geschlafen. Bevor die Sonne um kurz vor fünf Uhr aufgeht, läuft bereits der Fernseher und ein erstes Ergebnis ein. Brexit. Großbritannien hat sich tatsächlich für den Austritt aus der EU entschieden. In den Nachrichtenkanälen nur eine Frage: Was jetzt?

    Cameron eilt zu einer Dringlichkeitssitzung mit seinen wichtigsten Kabinettsmitgliedern. Da warten schon Innenministerin Theresa May und Schatzkanzler George Osborne. Sie sitzen noch knittriger als sonst über ihrem Tee. Ohne Not hoch gepokert und im taktischen Spiel um eine Befriedung der eigenen Partei alles verloren, denkt jeder, aber keiner spricht es aus.

    Dann ruft der Premier in Brüssel an und verkündet die Entscheidung, bevor er sich in der BBC an die Nation wendet. Cameron redet vom „Auftrag der Briten“, den er zu erfüllen habe – abtreten will er nicht. Müssen Anleger den Brexit fürchten, Mister Dax?

    Die sogenannten Brexiteers und insbesondere die konservativen Wortführer Boris Johnson sowie Justizminister Michael Gove rufen den Unabhängigkeitstag aus. Endlich frei, frei von Brüssel, frei von Handtuch-Regularien und Bestimmungen über die Krümmung einer Banane. Spontan veranstalten die Europagegner Partys, statt Girlanden hängen hunderte Union-Jack-Flaggen über den Feiernden.

    Dann öffnet die Börse in der Metropole und alles stürzt ab. Inklusive des heiß geliebten Pfundes. Banken und Unternehmen greifen schnell in die Schubladen. Da liegt er, Plan B. Das B steht für Brexit. Viele Firmen werden in Kürze umziehen, es geht nach Frankfurt und Paris, andere haben Dublin oder Berlin im Blick.

    Die Tage nach dem Brexit dürften in Großbritannien turbulent werden

    Noch ist das alles ein Szenario, aber es ist keineswegs unrealistisch. Die Umfragen prognostizieren für das heutige Referendum ein knappes Ergebnis – und sollte es zum Austritt kommen, dürften neben dem ersten Tag danach die weiteren 100 äußerst turbulent werden. „Niederlagen bei Volksabstimmungen beenden Regierungen“, sagt Vernon Bogdanor, Politikwissenschaftler und einst Lehrer Camerons an der Universität Oxford.

    Doch der Premier tritt nicht gleich zurück. Im Laufe der ersten Wochen akzeptiert er, dass sich das Volk gegen ihn und seinen Wahlkampf für den EU-Verbleib gestemmt hat und er nicht die richtige Person ist, die Umsetzung einer Politik zu verhandeln, die er nicht unterstützt. Nach 100 Tagen aber geht er, genau dann nämlich findet der nächste Parteitag der Tories statt. Der Kampf um die Herrschaft bei den Konservativen ist da längst ausgebrochen.

    Derweil dürften sich die Briten auf Artikel 50 des Vertrags von Lissabon berufen, der eine Austrittsklausel besitzt. Zwei Jahre bleibt ihnen Zeit, den Ablauf des Abschieds zu regeln. „Der Zweck des Paragrafen ist es, einen Austritt unattraktiv und schwierig zu machen“, sagt Bogdanor. Es wird also kompliziert. Denn während die EU-Gegner unaufhörlich verkünden, man könne sofort neue Deals abschließen, verweist der Politologe darauf, dass die EU nur mit Staaten außerhalb ihres Territoriums Handelsabkommen abschließen kann. Großbritannien aber bleibt erst einmal Mitglied. Hinzu kommt am Tag danach: Das Souveränitätsmärchen, das die sogenannten Brexiteers erzählen, löst sich auf. Denn ausgerechnet die Souveränität des Parlaments wird beschnitten. Denn die Mehrheit der Abgeordneten wollte in der EU bleiben, anders als die Mehrheit der Bevölkerung. Das Parlament soll erstmals in der Geschichte eine Politik umsetzen, die es nicht unterstützt.

    Schätzungsweise 50000 bis 60000 Jobs gehen verloren

    Was heißt das für die Wirtschaft? Unsicherheit ist Gift. Schätzungsweise 50000 bis 60000 Jobs allein im Bankensektor gehen verloren, sagt Paola Subacchi vom politischen Thinktank Chatham House. Die Auswirkungen auf Branchen, die den Finanzsektor bedienen, sind dabei gar nicht eingerechnet.

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