Am Montag kehrte die Brexit-Saga ins britische Unterhaus zurück – und das Geschehen erinnerte prompt an die unzähligen Parlamentsdramen von 2019. Abermals wurde stundenlang hitzig debattiert, am späten Abend hatte der Premier Boris Johnson sein umstrittenes Gesetz zur Gestaltung des künftigen Binnenmarkts mit 340 zu 263 Stimmen über die erste Hürde gebracht. Aber der Streit geht weiter. Seit Tagen debattiert das politische London höchst kontrovers über das Gesetz, mit dem Johnson Teile des Brexit-Austrittsabkommens mit der EU nachträglich aufweichen will, was einem Bruch internationalen Rechts gleichkäme. Johnson geht bewusst auf Konfrontationskurs mit Brüssel, setzt gar auf Eskalation als taktisches Manöver, um bei den laufenden Verhandlungen über ein Handelsabkommen Zugeständnisse zu erreichen.
Scharfe Angriffe: Boris Johnson und der "Revolver" der EU
Die Angriffe klingen schärfer als je zuvor. „Wir können keine Situation tolerieren, in der unsere Partner von der EU ernsthaft glauben, dass sie die Macht haben, unser Land auseinanderzubrechen“, sagte Johnson im Unterhaus. Die EU drohe, mit einem Einfuhrstopp für britische Güter auch den Warenfluss zwischen Irland und Nordirland zu unterbinden. Brüssel habe „diesen Revolver noch immer nicht vom Tisch genommen“. Die Gegenrede der Labour-Partei übernahm diesmal Ed Miliband: „Was für eine Inkompetenz! Was für ein gescheitertes Regieren!“ Es gebe nur eine Person, die für all das verantwortlich sei: Boris Johnson.
Fünf Ex-Premiers sorgen sich um das Ansehen Großbritanniens
Gegenwind bekommt Johnson, der den Brexit-Vertrag selbst ausgehandelt und unterzeichnet hatte, weiterhin auch aus den eigenen Reihen. Zwar gab es bei der ersten Abstimmung weniger Abweichler als erwartet, doch zu den lautstarken Kritikern gesellten sich alle noch lebenden fünf Ex-Premierminister. John Major, Tony Blair, Gordon Brown, Theresa May und David Cameron positionierten sich offen gegen Johnson. Sie befürchten, der Bruch könnte das Vertrauen in Großbritannien erschüttern. „Wir, die britische Regierung und das Parlament, haben unser Wort gegeben. Unsere Ehre, unsere Glaubwürdigkeit, unser Selbstrespekt und unser künftiger Einfluss in der Welt beruhen darauf, dass wir dieses Wort halten“, sagte der einflussreiche Ex-Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox. Der Brexit-Anhänger beschuldigte Johnson, das Ansehen Großbritanniens zu beschädigen.
Lesen Sie auch:
- Boris Johnson stellt den eigenen Deal infrage
- Brexit: Es folgt der letzte Aufruf zum Showdown
- Kritik an Johnson: Schottland drängt auf die Unabhängigkeit
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.