„Willkommen zurück an unserem Arbeitsplatz.“ So begrüßte der Unterhaussprecher John Bercow am Mittwoch die Abgeordneten bei ihrer ersten Sitzung nach der Aufhebung der Zwangspause des Parlaments. Und was das Drama anbelangte, machten die Volksvertreter da weiter, wo sie vor zwei Wochen aufgehört hatten. Die Opposition ließ ihren aufgestauten Ärger über das Verhalten der Regierung heraus. Die Gegner von Boris Johnson werfen dem Premierminister vor, dass er das Unterhaus kaltstellen wollte, um seinen harten Brexit-Kurs durchzuboxen. Es wurde gebrüllt und gebuht, geschimpft und gekeift.
Boris Johnson befand sich zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Flug von New York nach London. Er sollte erst am frühen Abend ins Unterhaus zurückkehren, wo er ein Statement abgeben wollte nach dieser vernichtenden Niederlage am Tag zuvor. Die elf Richter des Supreme Courts, des höchsten Gerichts im Königreich, hatten die von Johnson verfügte fünfwöchige Suspendierung des Parlaments für gesetzeswidrig erklärt.
Brexit-Hardliner werfen der Opposition vor, den Brexit verhindern zu wollen
Einen Vorgeschmack, was später folgen sollte, konnte Downing Street jedoch schon am frühen Mittag beim Verhör des Generalstaatsanwalts Geoffrey Cox erhalten. Der Konservative war es, auf dessen Empfehlung die Regierung den Zwangsurlaub bei Königin Elizabeth II. beantragt hatte. Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte Johnson auf, sich sowohl bei der Queen als auch bei der Bevölkerung zu entschuldigen. Gleichzeitig erneuerte er seine Forderung, der Regierungschef müsse zurücktreten. Das hatte Johnson noch am Dienstag ausgeschlossen.
Auch Geoffrey Cox hält an seinem Posten fest. „Ich akzeptiere, dass wir verloren haben“, sagte der juristische Berater. Gleichzeitig attackierte der europa-skeptische Tory die Opposition scharf. „Dieses Parlament ist ein totes Parlament. Es sollte nicht mehr tagen. Es hat kein moralisches Recht, auf diesen grünen Bänken zu sitzen.“ Der Grund für seinen Wutausbruch? Die Weigerung der Abgeordneten, dem Antrag auf Neuwahlen von Johnson stattzugeben. Damit solle letztlich der Brexit verhindert werden, kritisierte Cox.
Beobachter spekulieren über Misstrauensantrag gegen Johnson
Die Frage, die sich gestern stellte, lautete: Nun, da die Parlamentarier mehr Zeit zum Tagen bekommen haben, wie würden sie diese nutzen? Angeblich wollen sie von der Regierung die Veröffentlichung weiterer Pläne für den Fall eines ungeregelten Austritts verlangen. Manche Beobachter spekulierten zudem über einen möglichen Misstrauensantrag gegen Johnson. Das Problem: Noch immer gilt es als ausgeschlossen, dass Labour-Chef Corbyn eine Mehrheit im Unterhaus zusammenbekommen würde, um eine alternative Regierung zu bilden.