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Großbritannien: 700.000 gehen gegen Brexit auf die Straße

Großbritannien

700.000 gehen gegen Brexit auf die Straße

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    Die Veranstalter hatten rund 100.000 Teilnehmer erwartet, die Zahl wurde aber weit übertroffen.
    Die Veranstalter hatten rund 100.000 Teilnehmer erwartet, die Zahl wurde aber weit übertroffen. Foto: Yui Mok/PA Wire, dpa

    Am Mittag herrschte Stillstand in Londons sonst so geschäftigem Zentrum. Massen von Menschen strömten aus allen Richtungen herbei, füllten die Straßen rund um den Hydepark über den berühmten Trafalgar Square bis zum Parlament in Westminster, ganz so als wäre ein Damm gebrochen.

    Sie hielten Plakate in den wolkenlosen, blauen Himmel, auf denen sie „eine Stimme für unsere Zukunft“ forderten, „das völlige Chaos der Regierung“ anprangerten oder britische Politiker wie Ex-Außenminister Boris Johnson als „Lügner“ kritisierten. Begleitet von Trompetenmusik und Trillerpfeifen schwenkten sie EU-Flaggen und den Union Jack – vereint im Wunsch, vereint zu bleiben.

    Rund 670.000 Menschen, so die Angaben der Organisatoren, protestierten am Samstag bunt, laut und friedlich gegen den Brexit. Die Kampagne „People’s Vote“ (Volksabstimmung), die ein neues Referendum zum EU-Austritt durchsetzen will, hatte zum Marsch aufgerufen. Am Ende kamen weit mehr als erwartet.

    "Wir sind zur Lachnummer Europas verkommen"

    Briten und EU-Bürger aus allen Ecken des Königreichs und auch vom Kontinent reisten zu diesem „historischen Moment“, wie ihn Londons Bürgermeister Sadiq Khan nannte, an. „Was könnte demokratischer und britischer sein, als dem Urteil des Volks zu vertrauen?“ Brexit-Anhänger kontern regelmäßig, man hätte die Bevölkerung im Juni 2016 gefragt und 52 Prozent hätten sich für den Austritt entschieden. Nun gelte es, den Willen zu respektieren und die Scheidung umzusetzen, betonte auch Premierministerin Theresa May vor wenigen Tagen. Aber wie? Die Verhandlungen mit Brüssel stocken und die Wahrscheinlichkeit, dass das Königreich ohne Austrittsabkommen am 29. März 2019 die EU verlässt, steigt mit jeder Woche.

    „Ein chaotischer Brexit wäre wirtschaftlich eine absolute Katastrophe“, schimpfte die 39-jährige Anna, die zum ersten Mal in ihrem Leben für etwas auf die Straße ging. Außerdem fürchtet sich die Medizinerin davor, dass weitere Pfleger und Ärzte abwandern und das Gesundheitssystem dann kollabiert. „Schauen Sie sich das Durcheinander doch an. Wir sind zur Lachnummer Europas verkommen.“

    May lehnt nochmalige Befragung der Bevölkerung ab

    Werden die beeindruckenden Bilder des Protests vom Wochenende auch die in ihrer eigenen konservativen Partei massiv unter Druck stehende Regierungschefin May beeindrucken? Sie lehnt eine nochmalige Befragung der Bevölkerung kategorisch ab. Die Kampagne der Europafreunde möchte derweil durchsetzen, über das noch von London und Brüssel auszuhandelnde finale Abkommen abzustimmen. Und zudem die Möglichkeit erhalten, für Großbritanniens Verbleib in der Gemeinschaft zu votieren.

    „Wir wurden getäuscht und man hat die ganze Sache als einfache Angelegenheit verkauft“, sagt der 19-jährige Tom, der beim jüngsten Referendum nicht alt genug war, um mitzustimmen. Etliche Briten hätten für den Austritt votiert, weil sie den falschen Versprechen der Brexiters geglaubt haben. Erst jetzt würde man realisieren, welche Kosten und Nachteile dieser Schritt verursache. Gleichwohl gab der Student aus Manchester zu, dass „leider“ viele Junge beim Referendum vor gut zwei Jahren daheimblieben. Das Land sei zu spät aufgewacht. „Aber wir geben nicht auf, es geht um unsere Zukunft.“

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