Im Kampf gegen Diesel-Fahrverbote bekommt die Bundesregierung Unterstützung aus Brüssel. Auf eine entsprechende Bitte aus Berlin hin signalisierte die EU-Kommission am Mittwoch, dass Deutschland Fahrverbote bei nur geringfügiger Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte als „unverhältnismäßig“ umgehen darf.
Hintergrund sind die Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die unter Bezug auf die EU-Luftreinhalte-Richtlinie in mehreren Städten Diesel-Fahrverbote erstritten hat. Im Regelwerk steht ein Höchstwert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft. Allerdings hat die Bundesregierung stets argumentiert, dass bei Werten bis zu 50 Mikrogramm eine Einhaltung der Vorgaben auch mit anderen Mitteln als drastischen Fahrverboten zu erreichen sei. Dann seien Maßnahmen, mit denen Dieselfahrzeuge ausgesperrt würden, überzogen.
In einer Stellungnahme betonte die Kommission, dass die geltenden Richtwerte nicht verändert oder gar gelockert werden sollen. Allerdings sei es Sache der Mitgliedstaaten, wie sie die Belastung der Atemluft senken. Fahrverbote habe Brüssel weder vorgeschrieben noch verlangt, aber auch nicht vollständig ausgeschlossen. Damit hat die Bundesregierung jetzt freie Hand, um auch mit anderen Mitteln für bessere Luft in den Städten zu sorgen.
Stickoxid-Grenzwerte: 17 deutsche Städte liegen im tolerierten Bereich
In Deutschland haben im vergangenen Jahr noch 28 Städte den Grenzwert von 40 Mikrogramm überschritten, elf von ihnen lagen sogar über 50 Mikrogramm, mit Stuttgart (71) als Spitzenreiter. In München wurden 66 Mikrogramm gemessen. 17 Städte liegen im nun von der EU tolerierten Bereich zwischen 40 und 50 Mikrogramm, darunter Augsburg (43).
Der Umweltpolitiker der CDU-Europafraktion, der Mediziner Peter Liese, erklärte gegenüber unserer Redaktion: „Es gibt viele sinnvolle Maßnahmen, wie zum Beispiel die Nachrüstung von Bussen, Kommunalfahrzeugen und aus meiner Sicht auch Pkws. Diesel-Fahrverbote bei nur geringfügiger Überschreitung des Grenzwertes sind allerdings völlig unverhältnismäßig.“ Er sei sehr froh, dass es jetzt von Brüssel grünes Licht für ein entsprechendes deutsches Gesetz gibt.
Mit Spannung wird nun in Brüssel eine Studie des EU-Parlamentes erwartet, die für Mitte März angekündigt ist. In ihr sollen die Standorte der Messstationen in fünf Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – miteinander verglichen werden. Hintergrund: Vor allem in der Bundesrepublik gibt es den Verdacht, dass die deutschen Mess-Einrichtungen falsch aufgestellt wurden. Ziel der Luftreinhalte-Richtlinie sei es nämlich, nicht die punktuelle Belastung beispielsweise beim Überqueren einer Straße zu messen, sondern die Langzeitbelastung.
München will Fahrverbote verhindern und leitet Verkehrswende ein
Der Stadtrat von München hat unterdessen eine Grundsatzentscheidung für eine Verkehrswende getroffen. Rad- oder Busfahren erhält künftig den Vorzug gegenüber dem individuellen Autoverkehr. Das heißt: Mehr Busspuren, Rad- und Fußwege, aber weniger Parkplätze etwa am Straßenrand. Auch in Bayerns Landeshauptstadt werden die Grenzwerte für Stickoxid überschritten, ein mögliches Fahrverbot soll aber verhindert werden.
Auch in Wiesbaden drohte bis Mittwoch ein gerichtlich verhängtes Diesel-Fahrverbot. Dem kam die Stadt mit einem Maßnahmenpaket für bessere Luft zuvor. Die klagende Umwelthilfe erklärte vor dem Verwaltungsgericht, es reiche voraussichtlich aus, um die Stickoxid-Belastung zu senken.
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Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version hatte es zunächst geheißen, die Grenzwerte für Stickoxid sollen erhöht werden. Diese Formulierung war missverständlich. Wir bitten um Entschuldigung und haben den Wortlaut angepasst.