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Grenzöffnung: Die Visa-Freiheit für Türken weckt Ängste

Grenzöffnung

Die Visa-Freiheit für Türken weckt Ängste

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    Im Südosten der Türkei häufen sich Konfrontationen zwischen kurdischen Einwohnern und Polizei. Wenn die Visa-Freiheit kommt, werden dann viele Kurden in die EU fliehen?
    Im Südosten der Türkei häufen sich Konfrontationen zwischen kurdischen Einwohnern und Polizei. Wenn die Visa-Freiheit kommt, werden dann viele Kurden in die EU fliehen? Foto: Ilyas Akengin, afp

    Will ein Türke nach Deutschland reisen, geht dem Flug oft eine nervtötende Prozedur voraus: Ein Visum muss beantragt werden, das dauert seine Zeit und kostet auch noch Geld. Daher ist der Wunsch verständlich, dass zwischen zwei Ländern, die durch Verwandtschafts- und Geschäftsbeziehungen so eng verflochten sind wie

    Der Flüchtlings-Deal mit der EU bot der Türkei vor wenigen Wochen die Chance, ihren Herzenswunsch mit mehr Druck zu vertreten. Jetzt soll die eigentlich erst für Herbst geplante Visa-Freiheit auf den Sommer vorgezogen werden – als Gegenleistung dafür, dass Ankara irregulär nach Griechenland eingereiste Flüchtlinge zurücknimmt.

    Allerdings muss die Türkei dafür 72 Bedingungen erfüllen – von einem Chip im Pass, auf dem die Fingerabdrücke gespeichert sind, über ein Ende der Diskriminierung zyprischer Bürger bis zu einem Visa-Zwang gegenüber Drittstaaten, damit potenzielle Flüchtlinge nicht via Transit über die Türkei nach Europa einreisen können. Die EU-Spitze, aber auch deutsche Politiker haben klargemacht, dass alle Punkte erfüllt werden müssen. In Ankara wird mit Hochdruck an der Umsetzung gearbeitet. Die EU-Kommission könnte kommende Woche Vollzug melden und die Einführung der Visa-Freiheit vorschlagen.

    Markus Ferber: Das Asylsystem könnte kollabieren

    Doch dass Türken künftig ohne einen im Pass eingetragenen Sichtvermerk für 90 Tage in die EU einreisen dürfen, weckt auch Ängste. „Ich befürchte, dass sich auch zehntausende Kurden auf den Weg nach Europa machen könnten“, sagt der Europaabgeordnete und schwäbische CSU-Chef Markus Ferber. Vermutlich kämen besonders viele nach Deutschland, weil hier zahlreiche Landsleute leben. Wer, so fragt Ferber, sagt diesen Ankömmlingen nach 90 Tagen, „dass sie unser Land wieder verlassen müssen“?

    Anstatt zurückzukehren, könnten Kurden auch einen Asylantrag stellen – nicht ohne Aussicht auf Erfolg, da ihre Minderheit in der Türkei teilweise staatlicher Verfolgung ausgesetzt ist. Sollte in Deutschland infrage gestellt werden, dass die Türkei ein sichererer Herkunftsstaat ist, und eine Einzelfallprüfung der Asylanträge nötig werden, dann, so Ferber, könnte das Asylsystem kollabieren – „nicht aufgrund syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge, sondern wegen der Türken, die visumsfrei in die EU gekommen sind“.

    Der CSU-Politiker steht mit seiner Befürchtung nicht alleine da. So schlägt der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), vor, erst einmal nur bestimmten Gruppen Visa-Freiheit zu gewähren, etwa Geschäftsleuten. Im Augenblick ist fraglich, ob es im EU-Parlament eine Mehrheit für die Visa-Freiheit gibt. Ohne Zustimmung kann sie jedenfalls nicht in Kraft treten.

    Deswegen versuchen jetzt die Regierungen in Berlin und Paris, die Akzeptanz zu erhöhen, indem sie eine Notbremse einbauen: Die Visa-Liberalisierung soll künftig für sechs Monate ausgesetzt werden können, wenn die Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht ansteigen, wenn also zum Beispiel viele Kurden nicht mehr zurückreisen.

    Allerdings betrachtet die Türkei die Visa-Freiheit als elementaren Bestandteil des Flüchtlings-Deals mit der EU. Ohne sie, so Premier Ahmet Davutoglu, „kann natürlich niemand erwarten, dass die Türkei sich an ihre Verpflichtungen hält“.

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