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Gregor Gysi: Vom SED-Chef zum Aufrüttler

Gregor Gysi

Vom SED-Chef zum Aufrüttler

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    Linksfraktionschef Gregor Gysi ist für seine zugespitzten Reden bekannt. Seine DDR-Vergangenheit ist Nährboden für neue alte Vorwürfe.
    Linksfraktionschef Gregor Gysi ist für seine zugespitzten Reden bekannt. Seine DDR-Vergangenheit ist Nährboden für neue alte Vorwürfe. Foto: Wolfgang Kumm dpa

    „Ich finde das einen einzigartigen Skandal: Mal so und mal so!“ Der Satz fällt am 31. Januar 2013 im Deutschen Bundestag als es einerseits um die deutschen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und andererseits um die Unterstützung nordafrikanischer Rebellen geht. Die Worte sind fast schon ein Versatzstück in den Reden von Gregor Gysi, der heute wieder einmal vom Rednerpult aus die Bundesregierung mit offensiver Gestik und scharfer Rhetorik der Schaukelstuhlpolitik bezichtigt.

    Denn der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag ist nicht nur Pazifist, Sozialist und begnadeter Redner, sondern auch ein Aufrüttler und vehementer Kämpfer für seine Version von sozialer Gerechtigkeit.

    Gregor Gysi: Promovierter Jurist und Rinderzüchter

    Gregor Gysi wird in Berlin geboren –  ein Jahr vor der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) 1949; der Staat, der sein persönliches Leben und seine politische Laufbahn prägen wird. Nach der Polytechnischen Oberschule besucht Gysi die erweiterte Oberschule und wird gleichzeitig zum Rinderzüchter ausgebildet.

    Nach dem Abitur studiert er Jura an der Berliner Humboldt-Universität. Im ersten Studienjahr wird er Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Nach einer Ausbildung zum Richterassistenten promoviert er. Seit 1971 arbeitet er als Anwalt in Berlin – bis heute.

    Fusion mit der WASG: Gysis persönlicher Sieg

    1989 katapultiert sich Gregor Gysi im politischen Leben der DDR nach oben. Im November tritt er als Redner auf einer Großdemonstration in Berlin auf. Im Dezember wird der von BRD-Medien als „Reformsozialist“ beschriebene Gysi auf einem Sonderparteitag mit über 95% zum Vorsitzenden der SED gewählt. Der damals 41-Jährige läutet einen Umbruch ein: Er betont die „sozialdemokratische Tradition“ der Partei. In einem Positionspapier geht die SED unter Gysi auf Distanz zu ihrer ehemaligen Führung.

    Knapp eine Woche später heißt die Partei bereits Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS); 1990 nur noch PDS, der er bis 1993 vorsteht. Seit der Wiedervereinigung führt Gregor Gysi die PDS-Abgeordneten im Bundestag – mit einer Unterbrechung von drei Jahren. 2002 ist er für sechs Monate Berliner Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in einer SPD-PDS Koalition.

    Am 17. Juli 2005 benennt sich die PDS in Die Linkspartei, beziehungsweise Die Linke.PDS, um. Zwei Jahre später fusioniert sie mit Oskar Lafontaines westdeutscher Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit, der Gysi in Doppelmitgliedschaft angehört, zur heutigen Die Linke.

    Ein persönlicher Sieg für den Berliner Gysi. Denn seit Mitte der Neunziger hatte er immer wieder versucht, die PDS in den Alten Bundesländern zu positionieren, eine West- und Ostdeutschland umspannende Linke zu schaffen.

    Für Gregor Gysi ist klar: Deutschland hat historische Chancen vertan

    Seit 2009 sitzt Gregor Gysi wieder durch ein Direktmandat aus dem Wahlbezirk Berlin-Treptow-Köpenick im Deutschen Bundestag. Gerne mimt er dort den Lehrer, der der Regierung erklärt, wie etwas funktioniert: „Nicht die Schulden sind das Problem, sondern die Banken.“

    Geht es um Rüstungsim- und export oder Auslandseinsätze, fährt Gregor Gysi eine harte Linie: „In einer Welt, die so mit einander verbunden ist wie unsere, gibt es keine gerechten, sondern nur noch verbrecherische Kriege,“ sagt er 1991 in einer Bundestagsdebatte. Bei Auslandseinsatzverlängerungen stimmt er prinzipiell mit Nein – die Enthaltung zum Sudan bildet die Ausnahme.

    Für ihn ist ebenso klar: Deutschland braucht keine modernen Waffen, und es hat die historische Chance vertan, sich als neutrales Vermittlerland in der Staatenwelt zu positionieren. Auch die Möglichkeit einer „wirklichen Wiedervereinigung“ ist in Gysis Weltbild nicht genutzt worden. Er wird nicht müde, die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland anzuprangern – und die „soziale Ungerechtigkeit“ in Deutschland.

    Die Ansichten von Marx und Engels wertet Gysi als „Befreiungsideologie“. Auch wenn das kommunistische Experiment in Europa und Russland „enorme Fehlentwicklungen“ in sich getragen hat, so wird laut Gysi das sozialistische Ideal dennoch weiterleben – ein „Ideal einer wirklichen sozialen Gerechtigkeit“.

    Gregor Gysi weist Meineid-Vorwürfe zurück

    Genau diese Fehlentwicklungen sind Nährboden für Vorwürfe gegen Gysi. Einerseits heißt es, er distanziere sich nicht stark genug von der DDR. Andererseits gibt es Vermutungen, er habe sogar für den geheimdienstlichen Arm des Unrechtsregimes gearbeitet. Der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages stellt bereits1998 fest, dass Gregor Gysi für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet habe – Gysi ruft darauf das Bundesverfassungsgericht an.

    Gysi hat eidesstattlich versichert, nicht für die Stasi gearbeitet zu haben. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt in diesem Zusammenhang wegen einer möglichen Falschaussage. Auf Facebook verkündet der Politiker am vergangenen Samstag siegesgewiss, das Verfahren würde einegestellt, da er „niemals eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben“ habe.

    Gysi will auch die nächsten vier Jahre im Bundestag sitzen

    Von einer Kandidatur für den neuen Bundestag will er sich nicht abbringen lassen. Denn der Politiker möchte  weiter für seine Version von sozialer Gerechtigkeit, „gerechte Verteilung von Lebenszugängen“, kämpfen. Ihr will er einen Schritt näher mithilfe eines flächendeckenden Mindestlohns kommen, dessen Einführung er für dieses Jahr fordert.

    Gregor Gysi hat eine zwei Jahre ältere Schwester, ist verheiratet und hat drei Kinder. Er ist ein großer Verehrer der in der Weimarer Republik getöteten Sozialisten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg – der Stiftung, die ihren Namen trägt, sitzt er ehrenamtlich vor.

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