Folter, Vergewaltigung, Aushungern, Zwangsabtreibung - die Liste der Grausamkeiten, die in Nordkorea an der Tagesordnung stehen sollen, ist lang. Nach Ansicht einer UN-Untersuchungskommission gehört die nordkoreanische Führung wegen schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf die Anklagebank. In nie dagewesener Deutlichkeit warf das UN-Gremium der Staatsführung in Pjöngjang vor, seit Jahrzehnten schwerste
Vorwurf an Nordkorea: Ausrottung, Folter und Vergewaltigung
Die Kim-Dynastie in Nordkorea
Seit fast 70 Jahren herrscht die Familie Kim über das international weitgehend isolierte Nordkorea.
KIM IL SUNG: Der zum «Großen Führer» aufgestiegene Bauernsohn wurde 1912 geboren. Nach der Besetzung des Nordens von Korea durch sowjetische Truppen 1945 wurde Kim dort Stalins Mann. Als 1948 die Demokratische Volksrepublik Korea ausgerufen wurde, ließ er sich zum Regierungschef ernennen. Er herrschte über den abgeschotteten Staat mit eiserner Hand bis zu seinem Tod 1994. Der bis heute gottgleich verehrte Kim Il Sung trägt den ihm vorbehaltenen Titel «Ewiger Präsident».
KIM JONG IL: Sein Sohn wurde 1942 (oder 1941) in einem Ausbildungslager in der Sowjetunion geboren. Die Propaganda verlegte die Geburt in ein Widerstandscamp am mythischen Berg Paektu in Korea während der japanischen Besatzung. Der «Geliebte Führer» setzte den despotischen Kurs seines Vaters fort. In seine Herrschaftszeit fällt der vollständige Zusammenbruch der Wirtschaft mit Hungersnöten. 2008 erlitt er vermutlich einen Schlaganfall und war bis zu seinem Tod am 17. Dezember 2011 gesundheitlich angeschlagen.
KIM JONG UN: Der jüngste seiner drei bekannten Söhne kam Anfang der 1980er Jahre zur Welt, das exakte Geburtsjahr ist umstritten. Er soll eine Schule in der Schweiz besucht haben. Kim Jong Il erhob ihn 2010 zum General. Ende 2011 wurde Kim Jong Un Oberbefehlshaber der Streitkräfte, im April 2012 auch Erster Vorsitzender der Zentralen Verteidigungskommission und damit laut Verfassung «Oberster Führer» des Landes.
In dem fast 400 Seiten langen Bericht heißt es: "Die Menschenrechtsverletzungen sind von einer Schwere, einem Ausmaß und einer Art, die in der heutigen Welt keinen Vergleich kennt." Aufgezählt werden "Ausrottung, Mord, Versklavung, Folter, Haft, Vergewaltigung, erzwungene Abtreibungen" sowie zahlreiche weitere Verbrechen, etwa Zwangsumsiedlungen und das Aushungern von Bevölkerungsgruppen. Der Bericht stützt sich auf Aussagen von mehr als 80 Nordkoreanern, denen die Flucht gelungen ist. Pjöngjang selbst kooperierte nicht mit der UNO, weshalb Untersuchungen vor Ort nicht möglich waren.
Vertreter der Führung in Pjöngjang müssten wegen der Verbrechen vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag gebracht werden, forderte das Expertenteam, das im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats den Bericht erstellte. Nordkorea begehe "systematische und weitreichende" Verbrechen. Auch würden grundlegende Freiheiten wie die Meinungs- und Religionsfreiheit verweigert.
Häftlings-Bericht: Verhungerte werden verbrannt, ihre Asche als Dünger verteilt
Die Kommission war im Mai 2013 durch den UN-Menschenrechtsrat in Genf eingesetzt worden. Sie wirft Pjöngjang nun vor, derzeit in vier großen Lagern bis zu 120.000 politische Gefangene zu internieren. Nordkorea hat rund 24 Millionen Einwohner. Ein ehemaliger Häftling berichtete, wie er die Leichen von Verhungerten verbrennen und ihre Asche als Dünger verteilen musste. Andere waren gezwungen, ihre unterernährten Babys mit Mäusen und Schlangen zu füttern.
Für die Verbrechen in Nordkorea könnten nach Einschätzung der Kommission "mehrere hundert" Menschen verantwortlich sein. Kirby verwies nicht ausschließlich auf Staatsführer Kim Jong Un, sagte aber, diesem falle "ein Großteil der Verantwortung zu". Im nordkoreanischen Machtgefüge laufe alles beim "obersten Führer" zusammen.
US-Regierung appelliert an Nordkorea
Die US-Regierung hat nach dem Bericht Pjöngjang zu "konkreten Schritten" zur Verbesserung der Menschenrechte aufgerufen. Der jüngste Bericht der UN-Kommission bestätige, "dass die Menschenrechtslage in Nordkorea zu den schlechtesten auf der Welt gehört", erklärte Außenamtssprecherin Marie Harf in Washington. Der Report belege überzeugend "verbreitete, systematische und schwere Menschenrechtsverletzungen".
Der Sicherheitsrat solle gezielte Sanktionen gegen nordkoreanische Funktionäre verhängen, die im Verdacht stehen, sich solcher Verbrechen schuldig gemacht zu haben, heißt es im Bericht einer vom UN-Menschenrechtsrat beauftragten Kommission. Von generellen Sanktionen raten die Experten unter Hinweis auf die Notlage der Bevölkerung ab.
"Die Schwere, das enorme Ausmaß und die Art und Weise der in diesem Staat begangenen Verbrechen sind in der heutigen Welt beispiellos", erklärte die Untersuchungskommission.
UN: Welt darf nicht tatenlos zusehen
Die Welt dürfe nicht weiter tatenlos zusehen, heißt es in dem Bericht. "Die internationale Gemeinschaft muss ihre Verantwortung für den Schutz der Menschen vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit wahrnehmen, denn die Regierung der Demokratischen Volksrepublik Korea hat dabei erwiesenermaßen versagt."
Ausdrücklich wird China aufgerufen, sich zu engagieren. Peking lehnte umgehend ab. Differenzen beim Thema Menschenrechte sollten durch einen Dialog "auf der Basis gegenseitigen Respekts" überwunden werden, erklärte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. "Eine Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofes hilft nicht dabei, die Menschenrechtssituation in einer Nation zu verändern", sagte Hua Chunying. Als Vetomacht kann
Brief an Kim Jong Un
In einem separaten Brief an Kim Jong Un erklärte der Leiter der UN-Kommission, Michael Kirby, Spitzenfunktionäre des Regimes würden schwerste Verbrechen "unter der effektiven Kontrolle" des Staats- und Parteichefs begehen. Die Kommission setzte sich für die strafrechtliche Verfolgung aller Verantwortlichen ein, "darunter möglicherweise auch Sie selbst", heißt es in dem Schreiben.
Die Untersuchungskommission war im vergangenen Jahr vom UN-Menschenrechtsrat berufen worden, nachdem mehrere Versuche gescheitert waren, Nordkorea zu einem Dialog über die Respektierung der Menschenrechte zu bewegen. Die Regierung in Pjöngjang verweigerte ihren drei Mitgliedern aber jedwede Kooperation, sie durften auch nicht ins Land einreisen.
Die Erkenntnisse und Einschätzungen der Experten beruhen daher großteils auf Interviews mit aus Nordkorea geflohenen Regimegegnern, unter ihnen frühere politische Häftlinge. Ausgewertet wurden auch andere Expertenberichte sowie Satellitenaufnahmen, die nach Angaben von Organisationen wie Amnesty International berüchtigte Straflager zeigen. Das Regime in Pjöngjang hat die Existenz solcher Lager stets bestritten.