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Grafing: Verwirrter sticht Pendler am S-Bahnhof Grafing nieder

Grafing

Verwirrter sticht Pendler am S-Bahnhof Grafing nieder

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    Auf der Treppe zum Bahnsteig hat Grafings Bürgermeisterin ein Blumengesteck niedergelegt.
    Auf der Treppe zum Bahnsteig hat Grafings Bürgermeisterin ein Blumengesteck niedergelegt. Foto: Andreas Gebert (dpa)

    Ein offenbar geistig verwirrter Mann hat am S-Bahnhof in Grafing bei München wild um sich gestochen und dabei einen Fahrgast getötet. Drei weitere Männer verletzte er bei der Attacke am Dienstagmorgen schwer. Ein zunächst vermutetes politisches Motiv liege bei dem 27-Jährigen nach den bisherigen Ermittlungen nicht vor, sagte Lothar Köhler vom Bayerischen Landeskriminalamt (LKA). Weder aus dem Staatsschutz noch von Nachrichtendiensten gebe es Hinweise darauf, dass der Mann „in irgendeiner Form“ Bezüge zu islamistischen, salafistischen Gruppierungen oder Personen gehabt habe.

    Der aus Hessen stammende Mann hatte gegen 4.50 Uhr einen 56-Jährigen in der ersten, nach München fahrenden S-Bahn der Linie 4 erstochen und auf dem Bahnsteig sowie auf dem Bahnhofsvorplatz drei Männer mit dem Messer attackiert. Der 56-Jährige aus Wasserburg am Inn erlag wenig später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Ein 58 Jahre alter Mann wurde schwer verletzt. Zwei Opfer im Alter von 43 und 55 Jahren kamen mit leichteren Verletzungen davon. Eine Polizeistreife nahm den mutmaßlichen Täter kurz nach der Attacke widerstandslos fest. Dabei war er barfuß.

    Keine Hinweise auf islamistischen Hintergrund beim Täter von Grafing

    Obwohl es keine Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund gibt, wollen die Ermittler aber einen möglichen Glaubenswechsel des mutmaßlichen Täters von Grafing zum Islam prüfen. Der Messerstecher habe Angaben in diese Richtung gemacht, sagte Köhler.

    Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, hat einen Generalverdacht gegen den Islam beklagt. „Wir haben es mal wieder mit einer reflexartigen Begründung eines Gewaltdelikts mit dem Islam zu tun“, sagte Mazyek. Diese Begründung sei aber „doppelt falsch“. Erstens rechtfertige die Religion niemals Gewalt, und zweitens diene diese Erklärung keinerlei sachdienlicher Aufklärung, so Mazyek. „Dieses einseitige Erklärungsmuster verstärkt das Feindbild Islam.“

    Nach den Ermittlungen war der 27-Jährige noch am Wochenende in psychiatrischer Behandlung. Am Montag fuhr er mit dem Zug von Gießen nach München. Weil ihm das Geld für eine Übernachtung in einem Hotel fehlte, hielt er sich längere Zeit im Münchner Hauptbahnhof auf. Am Dienstagmorgen gegen 1.30 Uhr kam er nach Grafing, wie die Ermittler rekonstruierten.

    Messerstecher von Grafing rief: „Ungläubiger, du musst jetzt sterben“

    Nach Polizeiangaben rief er bei seinem Angriff: „Ungläubiger, du musst jetzt sterben“ und „Allahu akbar“ (Gott ist groß). Bei der Festnahme habe er ein Messer am Gürtel getragen, sagte der Münchner Polizeivizepräsident Günther Gietl. Bislang sei es den Ermittlern nicht gelungen, einen Bezug des Mannes nach Bayern oder Grafing herzustellen. Die Stadt sei ein „zufällig gewählter Tatort“ gewesen.

    Die Staatsanwaltschaft zweifelt an der Schuldfähigkeit des jungen Mannes. Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich sagte, dessen Aussagen bei den bisherigen Vernehmungen seien „verwirrend“ gewesen. Dem Mann wird Mord sowie versuchter Mord in drei Fällen vorgeworfen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, der Mann habe offenbar psychische Probleme und Probleme mit Drogen.

    Möglicherweise existiert von dem Amoklauf eine Videoaufzeichnung. Die Bahn hat den Ermittlern Videomaterial übergeben. Dem Triebfahrzeugführer der S-Bahn und einem Sicherheitsmann war es offenbar gelungen, den Angreifer nach der Tat zu vertreiben. Der Mitarbeiter habe die Polizei auch zu dessen Versteck geführt. Bahn-Chef Rüdiger Grube sprach von „Mitarbeitern, die beherzt eingegriffen und den Täter von weiteren Angriffen abgehalten haben“. dpa, afp

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