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Gorleben und Lobbypapier befeuern Atomwahlkampf

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Gorleben und Lobbypapier befeuern Atomwahlkampf

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    Gorleben und Lobbypapier befeuern Atomwahlkampf
    Gorleben und Lobbypapier befeuern Atomwahlkampf Foto: DPA

    Die Standort-Frage rund um den niedersächsischen Salzstock sei schon früh von der früheren Regierung unter CDU-Kanzler Helmut Kohl im Jahr 1983 politisch beeinflusst worden, stellte Gabriel am Donnerstag im Dauerstreit mit Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) fest. Damit untermauerte er seine Forderung, anstelle von Gorleben jetzt nur noch in anderen Gegenden Deutschlands nach Alternativ-Endlagern für den viele tausend Jahre strahlenden Atommüll suchen zu lassen. Die Antwort aus dem Kanzleramt kam prompt: Gabriel blende wichtige Dokumente seines Hauses schlicht aus, hieß es Donnerstagabend. Für Zündstoff sorgte indessen auch ein umstrittenes Atomlobby-Papier.

    Gabriel erklärte am Donnerstag: "Die Überprüfung der bislang durchgesehenen Akten ergibt ein klares Ergebnis. Die damalige Bundesregierung hat politisch Einfluss (auf wissenschaftliche Gutachten) genommen." Deshalb gebe es keinen Grund, den Bericht der Regierungs-Arbeitsgruppe "auf den Zeitpunkt nach der Bundestagswahl zu verschieben", erklärte er an die Adresse des Kanzleramtes. Er veröffentlichte deshalb vorab einen eigenen Berichtsentwurf.

    Gabriels Erklärung sei "willkürlich, einseitig und falsch", erfuhr die Deutsche Presse-Agentur dpa aus der Schaltzentrale von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Es werden selektiv nur die Dokumente aufgeführt, die die vorgefasste Position des Bundesumweltministeriums stützen sollen, andere Dokumente werden in der Darstellung verschwiegen."

    Im Kanzleramt, das den internen Arbeitskreis zur Sichtung der alten Akten zu Gorleben führt, hieß es, die bisher ausgewerteten Dokumente zum wissenschaftlichen Zwischenbericht aus dem Jahr 1983 "geben keinen Anhaltspunkt, dass es zu einer unsachgemäßen Einwirkung durch die (damalige) Bundesregierung auf die Entscheidung zur weiteren Erkundung Gorlebens gekommen ist."

    Ähnlich erklärte Forschungsministerin Annette Schavan (CDU), man habe seinerzeit doch eine Tiefenerkundung des Salzstocks beschlossen. Sie monierte, dass Gabriel jetzt von einer Erkundung des Standorts Gorlebens nichts mehr wissen wolle. Er müsse "sich fragen lassen, warum er als Ministerpräsident Niedersachsens keinen Anlauf zur Erkundung von Alternativen unternommen hat".

    Auf Vorhaltungen aus dem Kanzleramt, das Umweltressort habe die Weitergabe seiner Akten verzögert, antwortete Gabriel, das sei "an den Haaren herbeigezogen. "Erst konnte es dem Kanzleramt nicht schnell genug gehen, dann verlor es plötzlich sein Interesse an rascher Aufklärung. Offenbar hat man dort gemerkt, dass die Akten nicht das hergeben, was man sich davon versprochen hat." Kanzlerin Merkel sollte sich von Kohl und seinem Regierungshandeln in Sachen Gorleben distanzieren.

    Am 11. Mai 1983 hätten das Kanzleramt unter Kohl und das Innenministerium verlangt, "auf die Forderung nach Erkundung anderer Standorte zu verzichten", heißt es in Gabriels Berichtsentwurf an die Arbeitsgruppe. Gut zwei Monate später habe das Kabinett am 13. Juli beschlossen, entgegen den Gutachter-Vorschlägen "keine alternative Standorterkundung" in Deutschland vorzunehmen.

    Zum Schluss eines intensiven Atomwahlkampfes sorgte ein Papier der Berliner Politikberatung PRGS für weitere Aufregung. Der 109-seitige Leitfaden war angeblich im Auftrag der Eon-Tochter Kraftwerke GmbH zustande gekommen. Wie in einem Drehbuch wird beschrieben, wie die Atomwirtschaft Politiker und Journalisten - einige werden namentlich parteipolitisch eingeordnet - auf Atomkraft-Linie bringen könnte.

    Die Eon-Tochter dementierte: "Ein solches Konzept haben wir nicht in Auftrag gegeben. Wir wollten Ideen zur Öffentlichkeitsarbeit, aber kein komplettes Handlungskonzept", sagte Unternehmenssprecherin Petra Uhlmann der dpa. PRGS-Geschäftsführer Torsten Hofmann bestätigte auf dpa-Anfrage, es habe sich nur um eine Bewerbungsarbeit gehandelt. Es sei üblich, "mit solchen Arbeiten weitere Aufträge zu bekommen."  

    Die Vizevorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, zeigte sich empört. "Eon und andere Atomkonzerne müssen jetzt die Karten auf den Tisch legen, ob sie heimlich versuchen, die öffentliche Meinung zu manipulieren", sagte sie der dpa. "Insgesamt lässt die Strategie den Schluss zu, dass Union und FDP in energiepolitischen Fragen von den Stromkonzernen ferngesteuert werden. Ihre Formulierungen entsprächen denen ihrer Ratgeber.

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