Der Himmel in Glasgow ist an diesem Montagmorgen grau und wolkenverhangen. Ein eiskalter Wind wehte den Teilnehmern der Klimakonferenz entgegen, als sie die letzten Meter zum Scottish Event Campus zurücklegten – ein futuristischer Gebäudekomplex im Herzen der schottischen Stadt, welcher in diesen Tagen grün erstrahlt. Entlang dieser Szene lässt sich die Stimmung auf der diesjährigen Konferenz treffend beschreiben. Alle kennen das Ziel, alleine der Weg dorthin ist mühsam. Und: Und es geht bislang viel zu langsam voran.
Die Zeit drängt für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels
Zwei Wochen lang verhandeln 197 Nationen auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow über die weitere Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015. Es sieht die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, idealerweise 1,5 Grad vor. Viele behaupten, die Welt stehe an einem Wendepunkt und die Zukunft liege in den Händen der aktuellen Machthaber. Gestern startete der "World Leaders Summit", das zweitägige Treffen der Regierungschefs im Rahmen der 26. Klimakonferenz (COP26). Mit dabei der amerikanische Präsident Joe Biden und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
“Es ist eine Minute vor Mitternacht und wir müssen jetzt handeln”, sagte der britische Premierminister Boris Johnson im Rahmen seiner Auftaktrede. Dabei fand er auch selbstkritische Worte. Vor 200 Jahren sei hier in Großbritannien im Zuge der Industrialisierung die “Weltuntergangsmaschine” eingeschaltet worden. Nun habe man eine besondere Verantwortung, dieses Problem wieder in den Griff zu bekommen. “Wir haben die Möglichkeiten, jetzt müssen wir handeln.”
Auch Angela Merkel gesteht bei ihrer letzten Rede als Bundeskanzlerin bei einer Klimakonferenz ein, “dass man nicht da ist, wo wir hinmüssen.” Wer jedoch einen emotionalen Appell von der 67-Jährigen erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Stattdessen verwies sie unter anderem darauf, dass man die Etappen in Sachen Klimaschutz messbarer werden müssten, und das “ambitionierte Ziel Deutschlands” bis 2045 klimaneutral zu sein.
Konferenz startet ohne zentrale Akteure
Die Vorzeichen für die diesjährige Konferenz, sie könnten insgesamt deutlich besser sein, nachdem man sich beim G20 Treffen in Rom schon nicht auf einen gemeinsamen Weg aus dem Kohleausstieg einigen konnte. UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagte danach: “Ich verlasse Rom mit unerfüllten Hoffnungen.” Zentrale Länder wie Russland und China reisten nicht einmal zur Konferenz. China schickte statt einer Videobotschaft sogar nur ein schriftliches Statement.
Außerdem kamen schon am Sonntag, dem ersten offiziellen Tag der COP26, viele Teilnehmen verspätet in Glasgow an, weil durch einen Sturm umgestürzte Bäume das Schienennetz blockierten. Andere sehen es als böses Omen, dass in der so genannten “Action Zone”, einem Bereich in dem Events stattfinden, eine riesige leuchtende Weltkugel hängt. Denn sie, so erzählen langjährige Teilnehmer, kam schon bei der Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen zum Einsatz. Diese scheiterte fulminant, weil angesichts der Finanzkrise innenpolitische Fragen wichtiger schienen.
Besonders betroffene Staaten brauchen bald zuverlässigen Schutz
Würde die Klimakonferenz in Glasgow ähnlich enden, so betonen Experten, dann geht 2021 als das Jahr in die Geschichte ein, in dem die Menschheit die Weichen ein für alle Mal und unumkehrlich in die falsche Richtung gestellt hat. “Wir graben unser eigenes Grab”, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres gestern.
Der tragische Verlust von Menschenleben und Existenzen durch extreme Wetterbedingungen zeige deutlich, wie wichtig es ist, dass die COP26 trotz der Pandemie stattfindet, betonte Patricia Espinosa, Leiterin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. “Wir müssen diejenigen schützen, die am verwundbarsten sind” – die ärmsten Länder also und diejenigen die besonders vom Klimawandel betroffen sind.
Konkrete Schritte auf dem Weg zum 1,5-Grad-Ziel notwendig
Doch wie soll das gehen? Um das bei der Weltklimakonferenz in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, sind konkrete Schritte nötig, betont Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umwelt-Bundesministerium. Es sei wichtig, dass die Industriestaaten ihrem Versprechen, ärmere Länder mit jährlich insgesamt 100 Milliarden US-Dollar zu unterstützen, tatsächlich in vollem Umfang nachkommen.
Darüber hinaus müsse man sich hinsichtlich des umstrittenen “Artikel 6” einigen. Dieser bietet Staaten die Möglichkeit, Emissionsreduktionen untereinander zu handeln. Viele Wissenschaftler betonen jedoch, dass Schritte schnell erfolgen müssen, um das Ruder rumzureißen. "Es geht einfach alles viel zu langsam voran”, sagt der Klima-Analyst Niklas Höhne.
Für einige Staaten geht es ums Überleben
Regierungschefs der Staaten, die im vom Anstieg des Meeresspiegels besonders betroffen sind, fanden gestern klare Worte: “Wie viele Stimmen wollen wir noch hören, bevor wir beginnen, uns zu bewegen”, sagte Mia Amor Mottley, Premierministerin von Barbados. Die Machthaber der G7 und der G20 , sie sollten endlich Verantwortung übernehmen. Wie sie fürchten auch viele Aktivisten, dass die Konferenz keine echten Ergebnisse bringen wird. Und dennoch: Die Stimmung ist zumindest bei einigen Teilnehmern der COP26 gut. So sagte Lourenco Capriglione, Klimaktivist aus Brasilien und Student am University College London: “Ich freue mich, hier sein zu sein”, weil er das Privileg und die Möglichkeit hat, Stimmen aus seinem Heimatland nach Schottland zu tragen.