Auf ein gemischtes Echo stößt die Forderung der Unionsfraktionen von Bund und Ländern, einen bundesweit verbindlichen Wertekunde-Unterricht an den Schulen für die Kinder von Flüchtlingen einzuführen. Ziel der speziellen „Rechtsstaatsklassen“ oder des eigenen „Werte-Unterrichts“ solle sein, „dass Flüchtlinge sich in unserem Werte-Rechtsstaatssystem besser zurechtfinden können und ihnen gleichzeitig die Grenzen und Verpflichtungen unseres Rechtsstaats vermittelt werden“, heißt es in dem Papier, das die Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU bei einer Konferenz am Dienstag verabschieden wollen. Die Sprach- und Wertevermittlung sollten dem regulären Unterricht vorgeschaltet sein und seien „unabdingbare Voraussetzung für gelingende Integration“.
Wertekunde als Schulfach? - Kultusminister bleiben zurückhaltend
Die Kultusministerkonferenz äußerte sich gegenüber unserer Redaktion zurückhaltend. Die Einführung eines neuen Schulfaches sei immer problematisch, da erst Lehrpläne erstellt, Lehrer ausgebildet und Finanzierungsfragen geklärt werden müssten. Dagegen habe man bereits „gute Erfahrungen“ in vielen Bundesländern mit Vorkursen gemacht, die Kindern von Geflüchteten Werte und Demokratie vermittelten. Zudem stelle sich die Frage, ob überhaupt ein eigenes Schulfach nötig sei, da der Themenkomplex in etlichen Fächern wie Deutsch, Geschichte, Sozialkunde oder auch Ethik eine „große Rolle“ spiele.
Der Chef der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer, hob gegenüber unserer Redaktion die bereits gut funktionierenden Rechtsstaatsklassen hervor, die es seit Jahren in Bayern und Hessen gibt. „Die Kinder möglichst schnell und selbstverständlich mit unserer Kultur und unseren Werten vertraut zu machen, liegt nicht nur im Interesse der aufnehmenden Gesellschaft, sondern auch im Interesse der Kinder, wenn ihre Integration gelingen soll“, so Kreuzer. Die Flüchtlinge hätten sich entschieden, nach Deutschland zu kommen. „Damit ist auch verbunden, dass sie sich für unsere Kultur und unsere Werte entschieden haben.“
Grüne und Linke kritisieren Unions-Idee zum Werteunterricht
Dagegen übte die Linke massive Kritik an dem Vorhaben. „Seit Jahren haben die Schulen massive Probleme mit Personalmangel, vor allem für Deutsch als Fremdsprache oder die Schulsozialarbeit“, kritisierte der Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Jan Korte, gegenüber unserer Redaktion. „Die Union hat das ignoriert, genauso wie den verbreiteten Unterrichtsausfall, und ist damit direkt verantwortlich für die Lage, die sie jetzt populistisch ausschlachtet.“
Asylanträge in Deutschland
In den ersten acht Monaten dieses Jahres hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 134.935 Erstanträge auf Asyl entgegengenommen. Im Vergleichszeitraum 2016 waren es 564.506 – ein Rückgang um 76 Prozent.
Im Gesamtjahr 2016 hatte das Bundesamt 722.370 Erstanträge auf Asyl in Deutschland registriert.
Im August 2017 stellten Flüchtlinge aus Syrien die meisten Asylanträge, gefolgt von Menschen aus dem Irak und Afghanistan. Auf Platz vier erscheint die Türkei, gefolgt von Nigeria und Somalia.
Die Linke begrüße einen „Werteunterricht für alle, wie es ihn zum Beispiel in Berlin in Form des Ethikunterrichts gibt“, so Korte. „Ob so ein Unterricht erfolgreich gesellschaftliche Werte wie Solidarität, Gemeinsinn und Anstand vermitteln kann, könnte man dann an der kompletten CSU-Führungsriege erproben.“
Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter übte gegenüber unserer Redaktion Kritik. „Aufgabe und Teil jeden Unterrichts ist es ohnehin, Werte und Normen zu vermitteln, sei es im Mathe-, Deutsch- oder Ethikunterricht. Dazu braucht es keine Separierung der Klassen nach Flüchtling und Nichtflüchtling, sondern gemeinsames Lernen und Leben solcher Werte wie Gleichberechtigung und gegenseitiger Respekt.“
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