Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Gezi-Jahrestag: Türkei: Polizeiübermacht erstickt den Protest

Gezi-Jahrestag

Türkei: Polizeiübermacht erstickt den Protest

    • |
    Polizisten ergreifen eine Demonstrantin.
    Polizisten ergreifen eine Demonstrantin. Foto: Sedat Suna (dpa)

    Es sollte ein Tag des Widerstands gegen die Regierung von Recep Tayyip Erdogan werden, eine Warnung der Gegner des Ministerpräsidenten ein Jahr nach Beginn der Gezi-Unruhen. Doch es kam anders. Das massive Polizeiaufgebot am

    Gezi-Jahrestag: Polizisten mit Knüppeln

    Auffällig viele schwarze Rucksäcke mit der Aufschrift „Westpak“ und drei weißen Streifen, die sehr an einen bekannten Sportartikelhersteller erinnern, sind am Gezi-Jahrestag in der Innenstadt der türkischen Metropole zu sehen. Die Rucksäcke gehören Zivilpolizisten mit Knüppeln, die mit zehntausenden uniformierten Kollegen die geplante Kundgebung der Protestbewegung erdrücken.

    „Auf jeden Demonstranten kommen zwei Polizisten“, sagt Melih Cetinkus, ein Student, der schon im letzten Jahr bei Gezi dabei war.

    Türkei: Polizei geht rabiat gegen Demonstranten vor

    Damals eroberten die Demonstranten nach einer brutalen Polizeiaktion gegen Umweltschützer den kleinen Gezi-Park und hielten den Park selbst und den angrenzenden Taksim-Platz rund zwei Wochen lang besetzt. Diesmal kommen sie erst gar nicht zum Park und zum Taksim. Rund 25 000 Polizisten sind im Einsatz, um die Gegend abzuriegeln. Die Beamten gehen dabei zeitweise äußerst rabiat vor. Ein Reporter des US-Senders CNN wird vorübergehend festgenommen.

    Die im Vergleich zum letzten Jahr recht wenigen Demonstranten ziehen sich angesichts der Übermacht zurück. In der Nähe des abgesperrten Taksim-Platzes stellen am Abend die ersten Restaurants ihre Tische wieder nach draußen, es wird gegessen und getrunken. Der Istanbuler Polizeichef Selami Altinok spricht zynisch von einem „schönen Tag“ – sichtlich zufrieden mit dem Verlauf des Einsatzes.

    Wasserwerfer und Tränengas

    „Sie haben mich dazu gebracht, dass ich mein eigenes Land nicht mehr mag“, sagt Ali, ein 48-jähriger Passant, der auf der Einkaufsstraße Istiklal Caddesi in der Nähe des Taksim-Platzes vom Wasserwerfer- und Tränengaseinsatz der Sicherheitskräfte überrascht wurde. „Die lassen die Leute einfach nicht in Ruhe“, sagt er. „Dies ist ein Polizeistaat“, setzt er mit einem resignierten Kopfschütteln hinzu.

    Was ist aus dem „Geist von Gezi“ geworden, jener Verbindung aus Bürgersinn und Widerstandsgeist gegen eine Regierung, die als zunehmend autoritär gesehen wird? Wenn es nach Mehmet Aksoy geht, war dieser Geist von Anfang an zu schwach, um Erdogan ernsthaft in Gefahr zu bringen. „Der Geist von Gezi kann die Regierung nicht stürzen“, sagt Aksoy. „Erdogan hat die Masse der konservativen Wähler hinter sich.“

    Ohnehin habe die Protestbewegung nie ihr Potenzial genutzt. Zwar hätten sich im vergangenen Jahr viele Menschen an den Gezi-Demonstrationen beteiligt – 2,5 Millionen waren es nach Regierungsangaben im ganzen Land. Aber die Bewegung sei zu zersplittert, um wirklich Druck auf die Regierung machen zu können. „Es gab nie eine Organisation, die alles zusammenhält“, sagt Aksoy, „nur ein Grüppchen hier und ein Grüppchen dort und so weiter.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden