Augsburg Wenn man davon ausgeht, dass es die Gewaltenteilung in Deutschland noch gibt, dann ist in Rheinland-Pfalz etwas gründlich schiefgelaufen. In der Justiz des Bundeslandes gärt es gewaltig. Die Verantwortung dafür trägt Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) mit seiner Regierung. Sie wollen das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz auflösen. So ist es im rot-grünen Koalitionsvertrag festgehalten. Es ist dies offensichtlich ein Racheakt der Politik an der Justiz.
Um all das zu verstehen, muss einige Jahre zurückgeblendet werden. Im Juni 2007 hatte der damalige rheinland-pfälzische Justizminister Heinz Georg Bamberger (SPD) in einer Art Hauruckaktion dem parteinahen Kandidaten Ralf Bartz in einer Pause zwischen zwei Terminen die Ernennungsurkunde zum OLG-Präsidenten überreicht. Mitbewerber Hans-Josef Graefen zog den Kürzeren, obwohl er für das Amt die bessere Qualifikation und die größere Erfahrung hatte. Der Mann mit dem CDU-Parteibuch klagte. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte im November 2010 die Blitzernennung für rechtswidrig. Der bereits drei Jahre als OLG-Präsident arbeitende Bartz wurde des Amtes enthoben. Der Spitzenposten musste nach dem Gerichtsbeschluss neu ausgeschrieben werden. Ein Debakel für den Justizminister.
Damit hätte es gut sein können. Doch in Rheinland-Pfalz will die Politik der Justiz zeigen, wo der Hammer hängt. Die derart vorgeführte Landesregierung entschied sich für eine in dieser Form und in dieser Art einzigartige Lösung: Wir lösen einfach das ganze Gericht auf! Richter und Bedienstete sollen künftig beim halb so großen Oberlandesgericht in Zweibrücken arbeiten. Das ist 200 Kilometer oder zwei Autostunden entfernt. Nicht nur Justizangehörige protestieren gegen diese Entscheidung. Auch viele Bürger sind mobilisiert. Anfang des Monats wurden Ministerpräsident Beck 19000 Unterschriften von Reformgegnern übergeben.
Eine Kommission soll erst jetzt Vorschläge erarbeiten
Abgesehen davon, dass sich die Aufteilung in ein Oberlandesgericht im Rheinland und eines in der Pfalz seit Jahrzehnten bewährt hat, wurde bislang kein vernünftiger Grund für diese Entscheidung genannt. Außer einem: eine Sparmaßnahme. Wo und wie viel gespart werden soll, wurde bisher nicht ausgeführt. Ja, es liegt sogar der Verdacht nahe, dass dies noch gar nicht geprüft worden ist. Der neue Justizminister Jochen Hartloff – sein Vorgänger Bamberger wurde in der neuen Regierung nicht mehr berücksichtigt – hat erst Mitte Juni die Einsetzung einer Kommission angekündigt, die Vorschläge zur Zusammenlegung der Gerichte erarbeiten soll. Kann es sein, dass da eine Entscheidung im Nachhinein legitimiert werden soll?
Die ganze Aktion erinnert stark an die Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes durch Edmund Stoiber. Auch damals wurde ein hoch angesehenes Element der Judikative durch die Politik einfach wegrationalisiert. Einen Unterschied gibt es aber: Stoiber wollte Reform- und Spareifer demonstrieren. In Rheinland-Pfalz soll, so scheint es, der Justiz gezeigt werden, wer das Sagen hat. Es gibt ein Zitat von Ministerpräsident Beck, in dem er Gerichte als „nachgeordnete Behörden“ bezeichnet. Das zeigt, wo Beck die Justiz einordnet. So einfach ist es aber nicht, dass jeder Ministerpräsident über die Justiz bestimmen kann. Im Artikel 97 des Grundgesetzes steht: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.“
Die Exekutive hält die Gerichte in mehrfacher Abhängigkeit
So einfach, wie es da steht, ist es aber auch nicht. Die Exekutive hält die Gerichte und die Staatsanwaltschaften mehrfach in Abhängigkeit: Über Einstellungen und Beförderungen entscheidet in vielen Bundesländern der Justizminister allein. „Wir müssen die politische Abhängigkeit der Justiz reduzieren“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank, unserer Zeitung. Der größte Berufsverband der Richter und Staatsanwälte fordert daher die Selbstverwaltung der Justiz. Sein Gesetzesvorschlag sieht einen Justizverwaltungsrat vor, der in direkter Verantwortung gegenüber dem Parlament die Administration der Justiz übernimmt. An der Spitze des Verwaltungsrats soll ein auf Zeit gewählter Justizpräsident stehen. „Was die Strukturen der Selbstverwaltung angeht, ist Deutschland ein Schwellenland“, sagt Frank.
Kurioserweise war Hans-Josef Graefen, der Mann, der alles losgetreten hat, kein Freund einer selbstverwalteten Justiz. Nach dem, was er erlebt hat, sieht der Präsident des Landgerichts Koblenz die Sache anders. Graefen (58) bestätigte unserer Zeitung, dass er einen Vollstreckungsantrag gestellt hat, den Chefposten des Oberlandesgerichts Koblenz wieder zu besetzen – so wie es im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht. Die Landesregierung hat bis Montag Zeit, sich zu äußern. Zu erwarten ist eher, dass diese Justizaffäre noch kein Ende hat.