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Gesundheit: Verkaufsseminare für Ärzte in der Kritik

Gesundheit

Verkaufsseminare für Ärzte in der Kritik

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    In deutschen Arztpraxen finden immer häufiger Verkaufsgespräche statt. Für die Mediziner ist das ärztliche Zusatzangebot zu den Kassenleistungen eine Ergänzung ihrer Einnahmequellen, „weil die Krankenkassen nicht alles zahlen“. Für die Vertreter der Krankenkassen hingegen sind diese Individuellen Gesundheitsleistungen, kurz Igel genannt, häufig nicht notwendig und nur im wirtschaftlichem Interesse des Arztes. „Er will mehr verdienen“, sagt die Vorständin des Landesverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK), Sigrid König.

    Der schwäbische Hausärztechef und stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV), Jakob Berger (Herbertshofen, Kreis Augsburg), widerspricht. „Niemand hat bisher definiert, was notwendig heißt“, sagt er gegenüber unserer Zeitung. Das Gesundheitssystem zahle „viele durchaus sinnvolle Leistungen“ nicht. Er nennt als Beispiele die Akupunktur und Homöopathie, Ernährungsberatung und diverse Laborleistungen im Hinblick auf die Vorsorge.

    Marketingseminare für Ärzte

    „Wir wollen nichts verkaufen“, versichert Berger. Und der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, distanziert sich ebenfalls: „Ärzte sind keine Kaufleute, und deshalb brauchen wir auch keine Verkaufsseminare für Individuelle Gesundheitsleistungen.“ Das steht aber in einem gewissen Widerspruch zu den Marketingseminaren, deren staatliche Förderung nun auf den Prüfstand gestellt werden soll. Dort sollen Ärzte gerade lernen, wie sie in ihren Praxen Zusatzangebote, für die ihre Patienten extra zahlen, besser anpreisen können.

    BKK-Chefin König nennt das Beispiel Hautkrebsscreening mithilfe eines Auflichtmikroskops. Das werde häufig nur als Igel-Leistung angeboten, dabei sei diese Untersuchung im Leistungskatalog der Kassen durchaus enthalten, wenn vom Arzt eine entsprechende Indikation gestellt wird. Es nur gegen Extra-Bezahlung anzubieten, nennt König „ein rechtswidriges Verhalten“. Da stecke ein „eindeutiges wirtschaftliches Interesse“ mit dem Wunsch nach mehr Verdienst dahinter.

    Patient in der Gewissensfrage

    Untersuchungen der AOK-Wissenschaftler haben ergeben, dass in zwei von drei Fällen der Arzt eine Igel-Leistung ins Gespräch bringt. Der Patient steht dann vor der Gewissensfrage, ob er das Geld ausgeben will oder nicht. Der Sprecher der AOK Bayern, Michael Leonhart, empfiehlt allen Versicherten, sich zusätzlich bei einem anderen Arzt oder ihrer Krankenkasse zu informieren. Hausarzt Berger sieht in solchen Fällen seine Kollegen als erste Ansprechpartner, weil sie den einzelnen Patienten am besten einschätzen können. „Wenn der Orthopäde eine Injektion ins Gelenk zusätzlich anbietet, wird man schon gefragt“, sagt er. (mit dpa)

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