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Gesundheit: Niemand weiß, was für Arztbesuche von Flüchtlingen bezahlt wird

Gesundheit

Niemand weiß, was für Arztbesuche von Flüchtlingen bezahlt wird

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    Tausende Flüchtlinge benötigen ärztliche Behandlungen. Doch genaue Zahlen über die Kosten gibt es nicht.
    Tausende Flüchtlinge benötigen ärztliche Behandlungen. Doch genaue Zahlen über die Kosten gibt es nicht. Foto: Murat, dpa

    In Deutschland wird alles gezählt – jede Milchkuh, jeder Alkoholunfall und jeder Fehlpass eines Bundesligaspielers. Wie häufig Flüchtlinge zum Arzt gehen und was die Steuer- und Beitragszahler dafür aufwenden müssten, steht dagegen in keiner Statistik. „Das ist sehr schwierig zu erheben“, sagt eine Sprecherin des Deutschen Städtetages. „Da sammeln wir leider keine Daten“, entschuldigt sich ihr Kollege vom Landkreistag. „So genau schlüsseln wir die Leistungen für Asylbewerber in unserem Haushalt überhaupt nicht auf“, wehrt das bayerische Sozialministerium ab. Obwohl Bund, Länder und Gemeinden die Kosten für deren Gesundheitsversorgung zum größten Teil übernehmen, führt bisher offenbar niemand wirklich Buch darüber.

    Georg Nüßlein, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, behilft sich mit einer Zahl aus Bremen und Hamburg. Dort brauchen Asylbewerber für einen Arztbesuch keinen Behandlungsschein vom Sozialamt mehr, sondern bekommen eine Gesundheitskarte, über die der Arzt mit der Krankenkasse abrechnet, die sich das Geld dann wiederum von der Stadtverwaltung holt. Im Schnitt geben die beiden Hansestädte dafür 190 Euro pro Kopf und Monat aus.

    Bei gut einer Million Menschen, die im vergangenen Jahr nach Deutschland geflohen sind, wären das fast 2,3 Milliarden Euro per anno, die inzwischen neu dazu gekommenen Flüchtlinge noch nicht mitgerechnet. Wie belastbar und repräsentativ diese Zahl ist, vermag allerdings auch der Gesundheitsexperte Nüßlein nicht zu beurteilen. Natürlich bräuchten viele Zuwanderer überhaupt keinen Arzt, sagt der CSU-Abgeordnete aus Neu-Ulm. „Aber es kommen eben auch Menschen mit offener Tbc oder mit schweren Traumata zu uns.“

    Wie viel kostet die medizinische Versorgung der Flüchtlinge?

    Eine andere Rechnung führt zu einer nahezu doppelt so hohen Summe – zumindest auf längere Sicht. Die Kosten für die medizinische Versorgung eines Durchschnittsdeutschen liegen nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes bei rund 4000 Euro im Jahr. „Diese können durchaus auch für Asylbewerber angesetzt werden“, findet Ursula Krickl vom Deutschen Städte- und Gemeindebund in Berlin. Spätestens nach den ersten 15 Monaten, in denen Asylbewerber ja nur eine Art Notversorgung erhalten, wären das dann bei einer Million arbeitsloser Zuwanderer etwa vier Milliarden Euro im Jahr.

    Im Rahmen der eingeschränkten Hilfe übernimmt die Kommune zunächst nur bei Schmerzen, schweren Krankheiten oder Schwangerschaften die Kosten der Behandlung, Zahnersatz gibt es lediglich, wenn dies aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist. Nach 15 Monaten haben Asylbewerber, deren Antrag bewilligt wurde, allerdings Anspruch auf eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse. Wer einen Job findet, zahlt seine Beiträge dann selbst. Wer nicht, landet in Hartz IV – womöglich auf Jahre hinaus. Wie diese zusätzlichen Kosten in den kommenden Jahren finanziert werden sollen, ist noch unklar. Im Moment sieht es so aus, als müssten sie vor allem von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden.

    So will Gesundheitsminister Gröhe die zusätzlichen Kosten decken

    Bis zu 1,5 Milliarden Euro will Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aus ihren Beiträgen einsetzen, um die sich für das Jahr 2017 abzeichnenden Mehrausgaben zu kompensieren – was selbst sein Unionsfreund Nüßlein etwas befremdlich findet. Der Plan habe, sagt der, „einen systematischen Haken“. Eine Aufgabe wie die Aufnahme und Integration von hunderttausenden von Flüchtlingen ist danach eine Aufgabe für das ganze Land und müsste konsequenterweise auch aus dem Steueraufkommen finanziert werden. Gröhe dagegen holt sich das Geld aus dem Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung. Knapp neun Millionen Mitglieder der privaten Kassen sind damit, salopp gesagt, fein raus.

    Im Moment schießt der Bund für jeden Flüchtling wie für jeden anderen Hartz-IV-Empfänger auch 90 Euro im Monat zu – um kostendeckend zu arbeiten, bräuchten die Krankenkassen nach verschiedenen Schätzungen jedoch zwischen 180 und 200 Euro. Experte Nüßlein rechnet zwar damit, dass aus den 90 Euro aus dem Bundeshaushalt bald knappe 100 Euro werden. Sein Versprechen vom Oktober vergangenen Jahres, die gesetzlich Versicherten nicht für die Behandlung kranker Flüchtlinge bezahlen zu lassen, hat Gröhe mit dem Griff in den Gesundheitsfonds aber bereits gebrochen.

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