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Gesundheit: Gutachten: Behandlungsfehler in der Medizin häufen sich

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Gutachten: Behandlungsfehler in der Medizin häufen sich

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    Was tun, wenn etwas schiefgeht? Der Leidensweg von Patienten, die unter Behandlungsfehlern leiden, ist oft sehr lang.
    Was tun, wenn etwas schiefgeht? Der Leidensweg von Patienten, die unter Behandlungsfehlern leiden, ist oft sehr lang. Foto: Marijan Murat, dpa

    Das Coronavirus hat das deutsche Gesundheitswesen schwer unter Druck gesetzt. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) erwartet deshalb, dass es in diesem Jahr zu deutlich mehr Behandlungsfehlern in Krankenhäusern und Arztpraxen gekommen ist. Mediziner, Schwestern und Pfleger waren teilweise voll im Corona-Tunnel. „Es wurden Behandlungen verschleppt von Herzanfallpatienten, von Schlaganfallpatienten“, sagte die leitende Ärztin beim MDK Bayern, Astrid Zobel, am Donnerstag in Berlin. Gleiches gelte für Krebspatienten. „Eine Behandlung, die zu spät erfolgt, ist auch ein Behandlungsfehler. Das führt zu Schaden bis hin zum Tod von Patienten.“

    Bereits im Vorjahr stieg die Zahl der medizinischen Fehler

    Die Professorin stellte mit Kollegen in der Hauptstadt den Jahresbericht zu Behandlungsfehlern vor. Bereits vergangenes Jahr, also bevor die Seuche Deutschland in den Griff nahm, gab es im Gesundheitssystem mehr Pfusch von Ärzten und Pflegern. Die Gutachter des Medizinischen Dienstes bestätigten in 2953 Fällen, dass Patienten falsch behandelt wurden und sich daraus ein Leiden entwickelt hat. Im Jahr 2018 waren es 2799 Fälle, was einen Anstieg um 5 Prozent bedeutet. Bei insgesamt 14.553 Patienten die sich im Jahr 2019 an den MDK mit Verdacht auf Falschbehandlung gewandt haben, wurde danach ein Gutachten erstellt.

    Im Jahr davor waren es 14.133. Der Anstieg der bestätigten Fehler könnte also auf die höhere Zahl der gemeldeten Fälle zurückgehen. Die meisten Pannen passierten mit 45 Prozent bei Operationen von Chirurgen und Orthopäden, gefolgt von der Pflege (14 Prozent) und bei Zahnärzten (13 Prozent). Sorge macht dem Medizinischen Dienst, dass Patienten unverändert häufig Opfer grober Schnitzer und unglaublicher Nachlässigkeiten werden. Dazu zählen wund gelegene Stellen, im Bauchraum vergessenes OP-Material oder ein Eingriff am falschen Körperteil. „Das sind Ereignisse, die nie passieren sollten“, beklagte Stefan Gronemeyer, Vize-Chef des Bundesverbands der Medizinischen Dienste. Die Statistik zählt für das vergangene Jahr 128 dieser gravierenden Fehler.

    Fachleute gehen von mehr Fehlern aus, als von Patienten gemeldet wird

    Insgesamt gehen die Fachleute davon aus, dass im Gesundheitswesen weitaus mehr schief geht, als letztendlich von den Patienten gemeldet wird. Schätzungen reichen von zwei bis vier Prozent aller Behandlungen, die nicht korrekt verlaufen. In den ersten Wochen der Corona-Epidemie wurde die Fehlerquote nach Einschätzung des MDK erhöht, weil auch Ärzte, Schwestern und Pflegern nur mangelhaft mit Schutzkleidung und Masken ausgestattet waren. Dadurch wurden Patienten angesteckt. Bei besserer Vorbereitung wären diese Versorgungs- und Hygieneprobleme „wahrscheinlich vermeidbar gewesen“, meinte Gronemeyer.

    Tragisch für die Opfer von Medizinerversagen ist, dass hierzulande aus den Fehlern nicht gelernt wird. Der Grund: Es fehlt in vielen Kliniken und Praxen ein Fehlersystem, das speichert, wo etwas falsch gelaufen ist. Teilweise sind die Datenbanken zwar vorhanden, werden aber nicht genutzt. Laut MDK liegt es daran, dass im Gesundheitssystem das Zugeben von Fehlern immer noch mit einem Tabu behaftet ist.

    Bei Verdacht können sich Patienten an ihre Krankenkasse wenden

    Haben Patienten den Verdacht, dass Erkrankungen nicht richtig versorgt wurden, können sie sich an ihre Krankenkasse wenden. Die Kassen sind verpflichtet, ihre Versicherten zu unterstützen. Fachärztliche Gutachten des MDK können ihnen helfen, ihre Ansprüche durchzusetzen. Ein Anspruch auf Schadenersatz besteht nur dann, wenn ein Behandlungsfehler einen Gesundheitsschaden verursacht hat. An die Behandlung ist dabei der aktuelle ärztliche Standard anzulegen.

    Für Patienten, die länger an einer Corona-Infektion laborieren und dafür eine falsche Behandlung verantwortlich machen, dürfte es schwer werden, das nachzuweisen. Denn weder sind Impfstoff noch verlässliche Medikamente gegen den Erreger verfügbar.

    Behandlungsfehler: Diese Möglichkeiten haben Sie im Notfall

    Wenn Ärzte einen Fehler machen, haben Patienten womöglich Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Was die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und das Bundesgesundheitsministerium raten:

    Was mache ich, wenn ich den Verdacht habe, dass ein Fehler passiert ist?

    • Vor allem nicht ewig warten: Nach drei Jahren verjähren die Ansprüche. Vielleicht lassen sich bei einem Gespräch mit dem Arzt Missverständnisse oder Fragen direkt klären. Bei der Gelegenheit können Patienten auch Einsicht in ihre Patientenakte verlangen. Den darf der Arzt nur in Ausnahmefällen verwehren.

    Das Gespräch hat nichts gebracht – und der Verdacht erhärtet sich. Was nun?

    • Dann sollten Patienten sich Unterstützung holen. Ansprechpartner dafür ist in der Regel die Krankenkasse. Alternativ können sich Betroffene zum Beispiel an die Unabhängige Patientenberatung oder an Selbsthilfe-Organisationen wenden. Krankenhäuser haben oft auch eigene Beschwerdestellen für Patienten.

    Wie geht es dann weiter?

    • Die Krankenkasse kann bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler ein Gutachten in Auftrag geben. Stellt der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) tatsächlich einen Fehler fest, können Patienten vor Gericht ziehen. Alternativ haben Ärzte- und Zahnärztekammern oft eigene Gutachter und Schlichtungsstellen. Die Teilnahme an den Verfahren ist für Patienten meistens kostenlos. (mit dpa)

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