Während Patienten, Ärzte und Apotheker vielerorts in Bayern seit Wochen vergeblich auf Grippe-impfstoff warteten, hortete der staatliche Gesundheitsdienst in Bayern offenbar 550.000 Dosen. Dies geht aus einem Schreiben des Bayerischen Apothekerverbandes an seine Mitglieder hervor, das unserer Redaktion vorliegt. Mit der Verteilung der „bayerischen Reserve“ soll demnach erst jetzt begonnen werden, obwohl Oktober und November aus medizinischer Sicht eigentlich die wichtigsten Monate für eine Grippeimpfung sind.
Das Gesundheitsministerium spricht von üblichem Vorgang
Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums bestätigt auf Anfrage, dass „zusätzlicher Impfstoff“ besorgt worden sei. „Allerdings“, so betont er, „sind vor der Verteilung noch wichtige Fragen zu klären, was derzeit auch geschieht.“ So müsse noch abgestimmt und geregelt werden, wie den Ärzten, die bereit sind, im Auftrag des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zu impfen, diese Aufgabe übertragen werden könne. Auch müsse geregelt werden, wie der Impfstoff unter Beachtung der arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugestellt werden könne. „Wir setzen darauf, dass die bestellten Impfstoffe demnächst zur Verfügung stehen werden.“ Gleichzeitig weist der Sprecher darauf hin, dass es „nicht ungewöhnlich, sondern durchaus üblich“ sei, dass Impfstoff schrittweise ausgeliefert werde.
Von Gesundheitspolitikern der Opposition im Landtag wird die verzögerte Auslieferung scharf kritisiert. „Seit Wochen gibt es Berichte, dass der Grippeimpfstoff knapp wird und viele Ärzte und Apotheken am Markt keinen mehr bekommen“, sagt Ruth Waldmann (SPD). Sie verweist darauf, dass das Gesundheitsministerium doch selbst dafür werbe, dass man sich gegen Grippe impfen lassen soll, besonders wenn man älter ist. „Warum sie dann den Impfstoff dafür aber horten und so lange nicht herausrücken, ist unverständlich.“
Für wen wurde der Impfstoff so lange zurückgehalten?
Auch der Kemptener FDP-Abgeordnete Dominik Spitzer, selbst praktizierender Arzt, stellt sich die Frage, für wen der Impfstoff so lange zurückgehalten wurde. Er schimpft: „Das ist schon ein Hammer. Wir mussten unsere Patienten drei Wochen lang vertrösten.“ Und Christina Haubrich, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, kritisiert: „Das ist ein unhaltbarer Zustand. Der Engpass war längst bekannt.“
Der Bayerische Hausärzteverband ist grundsätzlich froh darüber, dass wieder Impfstoff in die Praxen kommt: „Besser spät als nie“, sagt Bayerns Hausärzte-Präsident Markus Beier. „Wir brauchen den Impfstoff“, derzeit sei die Versorgungslage in Bayern bei „praktisch null“.
Durch die Corona-Pandemie und die Impfaufrufe der Politik sei die Nachfrage extrem hoch. Eine halbe Million Dosen sei eine ordentliche Menge. „Damit können wir noch Risikopatienten durchimpfen“, sagt Beier. Es werde einige logistische Vorlaufzeit brauchen, den Impfstoff in die Praxen zu bringen. „Ich rate Patienten, sich in ihren Praxen zu informieren.“
Im Normalfall läuft die Verteilung nach Vorbestellungen der Ärzte über die Apotheken und den Großhandel. „Wir stellen unser bewährtes Vertriebsnetz zur Verfügung und wären sehr gut gerüstet, da wir die notwendige Logistik haben“, bietet Thomas Metz vom Bayerischen Apothekerverband an.
Corona-Regeln helfen auch gegen die Grippe
Der Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Wolfgang Krombholz, bestätigt die Freigabe. „Es handelt sich unseres Wissens nach um rund 550.000 Dosen der sogenannten Bayern-Reserve, die der Freistaat Bayern erworben hatte“, sagt er. Die Kassenärztliche Vereinigung habe die Freigabe bereits Ende Oktober gefordert. „Insofern begrüßen wir es, dass dies nun erfolgen soll.“ Laut Hausärzte-Präsident Beier komme dies gerade rechtzeitig vor der Grippewelle ab Januar, Februar. Die Corona-Hygieneregeln würden bislang auch die Influenza etwas in Schach halten: „Ich hatte im Herbst noch keinen Grippekranken in meiner Praxis“, sagt der Hausarzt.
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