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Gesellschaft: Trotz massiver Kritik: Texas verbietet fast alle Abtreibungen

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Trotz massiver Kritik: Texas verbietet fast alle Abtreibungen

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    Das Gesetz zu Abtreibungen in Texas ist heftig umstritten.
    Das Gesetz zu Abtreibungen in Texas ist heftig umstritten. Foto: Bob Daemmrich, dpa

    Celie Harden kniet mit dem Rosenkranz in der Hand vor einer der drei Abtreibungskliniken der texanischen Hauptstadt und betet. An diesem Morgen dankt sie dem Himmel für ein umstrittenes Gesetz, das in Kraft trat, weil der Oberste Gerichtshofs in Washington nicht eingegriffen hat. Es verbietet Frauen in Texas Abtreibungen nach der sechsten Woche der Schwangerschaft – zu einem Zeitpunkt, an dem viele von ihnen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind. Derzeit werden etwa 85 bis 90 Prozent aller

    Nicht einmal engagierte Lebensschützer wie Harden hatten zu hoffen gewagt, dass das von Gouverneur Greg Abbott im Mai ratifizierte Gesetz mit dem Aktenzeichen „S.B. 8“ tatsächlich diese Woche in Kraft treten würde. Es macht Abtreibungen zu einer Straftat, sobald ein Herzschlag bei einem Fötus registriert werden kann. Das ist in der Regel nach sechs Wochen. Es sieht keine Ausnahmen bei Inzest oder Vergewaltigung vor. Vergleichbare, weniger restriktive Gesetze in elf republikanisch geführten Bundesstaaten, waren allesamt von den Gerichten kassiert worden.

    Abtreibungsverbot: Das Oberste Gericht in Washington interveniert nicht

    Doch zur großen Überraschung der meisten Experten intervenierte das Oberste Gericht in Washington nicht. Eine Mehrheit aus fünf konservativen Verfassungsrichtern wies die Klage von Abtreibungsanbietern aus formalen Gründen zurück. Die Kläger hätten nicht zeigen können, dass sie die richtigen Personen verklagten, argumentierte der Supreme Court ohne in der Sache zu entscheiden. Ausdrücklich behielt sich das

    Wie sind Abtreibungen in Deutschland geregelt?

    Bis wann darf man abtreiben?

    In Deutschland dürfen Frauen bis zur 14. Schwangerschaftswoche ein Kind abtreiben, ohne dafür bestraft zu werden. Es sei denn, das Leben der Mutter oder des Kindes ist bedroht oder eine Frau ist wegen einer Vergewaltigung schwanger geworden. Dann ist eine Abtreibung auch noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich.

    Sind Abtreibungen in Deutschland legal?

    Es kommt drauf an. Wenn das Leben der Mutter oder des Kindes in Gefahr ist, sind Abtreibungen erlaubt. Dann spricht man von einer medizinischen Indikation. Wurde eine Frau zum Beispiel vergewaltigt und ist deshalb schwanger, ist ein Schwangerschaftsabbruch ebenfalls erlaubt. In diesem Fall spricht man von einer kriminologischen Indikation. In allen anderen Fällen sind Abtreibungen zwar rechtswidrig, sie bleiben aber straffrei, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Stellen werdende Eltern nach einer Pränataluntersuchung fest, dass ihr Kind eine Behinderung haben wird, gilt das nicht als medizinische Indikation.

    Wer übernimmt die Kosten für eine Abtreibung?

    Auch hier kommt es wieder darauf an. Liegt eine medizinische oder kriminologische Indikation vor, bezahlt die Krankenkasse der Frau die Abtreibung. In allen anderen Fällen, müssen Frauen die Kosten selbst übernehmen – es sei denn, ihr monatliches Einkommen liegt unter 1258 Euro. Dann trägt das Bundesland, in dem sie leben, die Kosten. Die Kosten für die Beratung und die Nachbehandlung übernimmt die Krankenkasse.

    Wie viel kostet eine Abtreibung?

    Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) liegen die Kosten zwischen 300 und 650 Euro. Sie hängen davon ab, welche Methode und welche Narkoseart gewählt wird.

    Welche Methoden zur Abtreibung gibt es?

    Grundsätzlich gibt es zwei Methoden: medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche – diese sind bis zum 63. Tag nach der Befruchtung der Eizelle machbar – und operative. Bei einer Operation wird die Gebärmutter entweder ausgeschabt – diese Methode wird heute nicht mehr empfohlen, da die Komplikationsrate höher liegt – oder eine Absaugung wird gemacht. Die Operationen finden entweder unter lokaler Betäubung oder mit Vollnarkose statt.

    Muss man sich vor einer Abtreibung beraten lassen?

    Ja. Damit eine Abtreibung straffrei bleibt, muss eine Frau, die gerne abtreiben möchte, sich vorher bei einer anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen. Ist das passiert, bekommt sie einen Beratungsschein. Zwischen der Beratung und dem Eingriff müssen mindestens drei Tage liegen. (hhc)

    „Das haben wir mit genau dieser Absicht so entworfen“, freut sich John Seago von der Anti-Abtreibungsgruppe „Texas Right to Life“, die an der Gesetzgebung mitwirkte. Der Staat habe die Durchsetzung des Rechts in diesem Fall an Privatpersonen oder Organisationen ausgelagert. Damit verbunden war die vage Hoffnung, dass sich der Supreme Court erst dann mit dem Gesetz befasst, wenn eine Privatperson versucht, jemanden wegen Beihilfe zur Abtreibung zu verklagen.

    Das Gesetz sieht eine Art Kopfgeld von mindestens 10.000 Dollar vor

    Der von George W. Bush nominierte Chefrichter John Roberts schloss sich den liberalen Kollegen an, die sich in abweichenden Meinungen bitter über die Untätigkeit des Gerichts beklagten, ein aus ihrer Sicht offenkundig verfassungswidriges Gesetz in Kraft treten zu lassen. „Das ist nicht nur ungewöhnlich, sondern beispiellos“, schloss sich Roberts der Minderheit an. Nach dem Grundsatzurteil „Roe versus Wade“ aus dem Jahr 1973 gelten Schwangerschaftsabbrüche in den USA als Privatangelegenheit.

    Rechtsexperten weisen darauf hin, dass es unter dem texanischen Abtreibungsgesetz theoretisch reicht, eine Schwangere nach der sechsten Woche zu einer Klinik zu fahren, um verklagt zu werden. Das Gesetz sieht eine Art Kopfgeld von mindestens 10.000 Dollar vor, das von Personen verlangt werden kann, die nach sechs Wochen zu einem Schwangerschaftsabbruch beitragen. US-Präsident Joe Biden schloss sich dem Aufschrei aller möglichen Frauenverbände und Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen an. „Es ist empörend, dass Texas Privatbürger damit beauftragt, jeden zu verklagen, der einer anderen Person hilft, eine Abtreibung zu bekommen“, erklärte der Präsident. Dies schließe Familienmitglieder, medizinisches Personal und Empfangspersonal mit ein. „Fremde, die nicht einmal Kontakt zu den Betroffenen haben“.

    Zahlreiche Klinik-Mitarbeitenden kündigen, aus Sorge, verklagt zu werden

    Das Gesetz hat unmittelbare Konsequenzen. Der Frauenarzt Joe Nelson von der „Whole Woman’s Health Clinic“ in Texas sagt, es seien mehrere Patientinnen abgewiesen worden. „Sie dachten, gerade erst schwanger geworden zu sein, und waren schon über die Sechs-Wochen-Frist hinaus“. Darüber hinaus haben zahlreiche Mitarbeiter in Kliniken gekündigt, weil sie die Sorge haben, verklagt zu werden.

    Die Furcht ist nicht unbegründet. Gleich nach Inkrafttreten des Gesetzes veröffentlichte „Texas Right to Life“ auf ihrer Webseite ein Formular, auf dem Personen angeschwärzt werden können. „Schicken Sie einen anonymen Tipp oder Information über mögliche Verletzungen des texanischen Herzschlag-Gesetzes“, fordern die Abtreibungsgegner zur Mithilfe auf. „Klicken Sie hier.“

    Lebensschützerin Harden findet das neue Gesetz „fantastisch“. „Das ist wie ein Bürgerarrest“, sagt sie einem Reporter der Washington Post vor der Abtreibungsklinik in Austin. „Wenn jemand vor Ihnen über eine rote Ampel fährt, können Sie zu einem Polizisten gehen und sagen: Haben Sie das gesehen?“

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