Viel ist nach wie vor nicht bekannt, das allermeiste liegt weiter im Dunkeln, als einigermaßen sicher in diesem ebenso faszinierenden wie rätselhaften Fall gilt für viele bislang nur das eine: Kaspar Hauser, dieser unbekannte, dieser geheimnisvolle Sonderling, wäre wohl am heutigen Montag 200 Jahre alt geworden. Darauf lässt jedenfalls ein Brief schließen, den Hauser am Pfingstmontag des Jahres 1828 bei sich trug, als er auf dem Nürnberger Unschlittplatz von Passanten aufgelesen wurde. Ungelenk und wie ein Betrunkener war er am Morgen durch die Nürnberger Straßen gewankt. Auf einem ihm anscheinend zugesteckten Brief war sein Geburtstag mit dem 30. April 1812 angegeben.
Kaspar Hauser: Geburtstag nicht sicher
Spekulationen über seine Herkunft beschäftigten seitdem Menschen überall auf der Welt und ganze Historiker-Generationen. Aber selbst moderne Erbgut-Analysen konnten das Rätsel um den plötzlich aufgetauchten Findling nie lösen.
Inzwischen macht sich auch der Ansbacher Kaspar-Hauser-Experte Werner Bürger kaum noch Hoffnung, die genaue Herkunft des jahrelang in einem Verlies festgehaltenen und später ermordeten Jünglings zu klären. Nach jahrzehntelanger Forschung zieht der Leiter des Markgrafenmuseums eine ernüchternde Bilanz: „Man kann immer wieder den Stein umdrehen – es kommt kein neuer Wurm zum Vorschein.“ Bürger hält die Datumsangabe des Geburtstages für ebenso unsicher und unglaubwürdig wie das gesamte, angeblich von einer armen Magd verfasste Schreiben. Dieser „Mägdlein-Brief“ dürfte genauso gefälscht sein wie ein zweites Begleitschreiben, schätzt der Kaspar-Hauser-Experte. Trotzdem werde Hauser wohl so um das Jahr 1812 geboren sein. „Auf ein Jahr hin oder her kommt es nicht an.“
Angeblich von maskiertem Mann in Verlies großgezogen
Hatte schon das plötzliche Auftauchen Hausers für Aufregung gesorgt, so machte ihn seine unklare Herkunft zur Weltsensation. Jahrelang, so berichtete Hauser später, sei er abgeschottet von der Außenwelt, bei Wasser und Brot, in einem Verlies großgezogen worden. Den genauen Ort kenne er nicht. Versorgt habe ihn ein maskierter Mann.
Die Salons in Deutschland hatten jedenfalls ihren Skandal – und schon bald schossen Spekulationen ins Kraut, Hauser sei der legitime Thronfolger des badischen Großherzogs; als es darum gegangen sei, eine neue Linie der Zähringer-Dynastie zu etablieren, habe Hauser im Weg gestanden, sei ausgetauscht und beiseitegeschafft worden. Andere hielten ihn hingegen für einen Hochstapler, der sich geschickt Zugang zur besseren Gesellschaft seiner Zeit verschafft habe.
Spekulationen über den angeblich verstoßenen badischen Erbprinzen halten sich dennoch bis heute – auch wenn sie im Jahr 1996 mit Untersuchungen widerlegt schienen. Der Münchner Gerichtsmediziner Professor Wolfgang Eisenmenger hatte damals Blutspuren an einer Unterhose Hausers mit Erbgut von Astrid von Medinger untersucht – einer Nachfahrin von Stephanie de Beauharnais aus dem Hause Baden. Das Ergebnis bereitete der Erbprinz-Theorie erst einmal ein Ende: Die Übereinstimmung des Erbguts war zu gering. Als sich das ZDF damit nicht zufriedengab und ein paar Jahre spät zwei Haare von Hauser mit moderneren Methoden gentechnisch untersuchen ließ, waren die Übereinstimmungen zwischen den Erbinformationen zwar größer, aber für Fachleute noch immer nicht ausreichend genug.
Kaspar Hauser, der Unbekannte
Das muss nach Einschätzung des inzwischen emeritierten Gerichtsmediziners Eisenmenger aber nicht bedeuten, dass Hauser kein Abkömmling des Hauses Baden ist. Erbinformationen könnten sich über die Jahrhunderte verändern, gibt der Wissenschaftler zu bedenken. Wirklich geklärt, wirklich sicher ist also auch weiterhin so gut wie nichts. Kaspar Hauser, er wird auch nach seinem 200. Geburtstag der Unbekannte bleiben, der er immer war. dpa