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Geplante Gesetzesänderung: Weniger Antibiotika in Tiermast: Grüne und BUND kritisieren Gesetzesentwurf

Geplante Gesetzesänderung

Weniger Antibiotika in Tiermast: Grüne und BUND kritisieren Gesetzesentwurf

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    Der Vorschlag der Bundesregierung zur Reduzierung von Antibiotika in der Tiermast stößt nicht überall auf Gegenliebe.
    Der Vorschlag der Bundesregierung zur Reduzierung von Antibiotika in der Tiermast stößt nicht überall auf Gegenliebe. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Die geplante Gesetzesänderung zur Reduzierung von Antibiotika in der Tiermast wird nach Ansicht der Grünen ihr Ziel verfehlen. "Es bleiben schwere Fehler im System", sagte die Fraktionsvorsitzende Renate Künast am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. "Es ist nach wie vor nicht das individuelle Tier zu behandeln, sondern es darf weiterhin der ganze Bestand behandelt werden."

    Gefahr der Erzeugung von Resistenzen bleibt

    Zudem gebe es keine konkreten Vorgaben, wie stark der Einsatz von Antibiotika sinken müsse. "Das Reduktionsziel muss null sein", forderte Künast. Den Gesetzesentwurf nannte sie "mangelhaft". Es reiche nicht aus, wenn die Landwirte nur dokumentieren und die Länder kontrollieren sollen. Als Folge des Einsatzes von Antibiotika entstünden resistente Keime, die mit dem Fleisch auf den Teller des Verbrauches gelangen und beim Menschen Resistenzen entstehen lassen.

    Regeln schaffen neue Papierarbeit

    Die Grünen werfen Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) vor, einseitig zugunsten der Industrie zu handeln. "Frau Aigner will nicht an die finanziellen Profitinteressen der Agrarindustrie herangehen, also will sie auch die Haltung der Tiere nicht verbessern", kritisierte Künast. Die neuen Regeln würden lediglich neue Dokumentationspflichten und Papierarbeit schaffen.

    Ziel müsse Behandlung einzelner Tiere sein

    Wie Ministerin Aigner den Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung verringern will

    Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) will den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung stark einschränken - und damit langfristig auch die Tierhaltung insgesamt verbessern. Erreichen will sie dies unter anderem mit Änderungen im Arzneimittelgesetz, denn der Einsatz von Antibiotika ist eine «Schlüsseltechnologie in der Tierhaltung», wie ihr Ministerialdirektor Bernhard Kühnle sagt. Folgendes soll passieren:

    INFORMATIONEN ÜBER BEHANDELTE TIERE: Tierarzt und Tierhalter müssen schon heute dokumentieren, welche Tiere welche Medikamente in welcher Dosis und Dauer bekommen. Künftig sollen die Behörden eines Bundeslandes die Tierärzte verpflichten können, diese Daten auch weiterzugeben, und zwar im Umfang und in Zeiträumen, welche die Behörde bestimmt. So sollen sich die Länderbehörden einen schnellen Überblick verschaffen können.

    INFORMATIONEN ÜBER EINGESETZTE MEDIKAMENTE: In rund sechs Monaten sollen erstmals genaue Daten über die Mengen der in Deutschland verabreichten Antibiotika veröffentlicht werden. Diese Daten werden zur Zeit erhoben. Anhand dieser Zahlen sollen die Behörden dann sehen, in welche Bezirke mit welcher Postleitzahl die Arzneimittelhersteller besonders viel Medikamente an die Tierärzte liefern - ein erster Anhaltspunkt für Kontrollen.

    NEUE VORSCHRIFTEN FÜR DIE ANTIBIOTIKA-BEHANDLUNG: Tierärzte dürfen derzeit entscheiden, welches Medikament sie welchem Tier wie oft verschreiben. Künftig dürfen sie fast gar keine Antibiotika mehr verschreiben, die eigentlich für Menschen gedacht sind. Sollen Tiere ein Medikament oder ein alternatives länger als sieben Tage bekommen, muss der Tierarzt den Krankheitserreger und die Wirksamkeit des Medikaments im Labor testen lassen - das kostet, und zwar den Tierhalter. Tierärzte sollen zudem nicht mehr von den Anwendungsbestimmungen abweichen können, die für eine Arznei vorgeschrieben sind.

    INFORMATIONEN FÜR DEN SCHLACHTBETRIEB: Der Tierhalter muss den Schlachtbetrieb künftig darüber informieren, welche Medikamente das Tier bekommen hat, und zwar sein ganzes Leben lang. Bisher galt diese Informationspflicht für die letzten sieben Tage vor der Schlachtung, in denen ein Tier gar keine Medikamente bekommen darf. Aigner hofft, dass Schlachtbetriebe und der Lebensmitteleinzelhandel das Fleisch von Tieren nicht nehmen, die viele Medikamente bekommen haben.

    EINSCHRÄNKUNG FÜR TIERÄRZTE: Das Ministerium prüft zur Zeit, ob Tierärzte das sogenannte Dispensierrecht behalten sollen: Sie dürfen Arzneimittel selber herstellen und auch verkaufen. Das bedeutet für manchen Tierarzt eine erhebliche Einnahmequelle. In diesem Punkt wie auch bei den neuen Regeln zum Verschreiben von Antibiotika rechnet das Ministerium mit großem Widerstand.

    KONTROLLEN DER LÄNDER: Kontrollieren und überwachen sollen die neuen Vorschriften die Bundesländer mit ihren Veterinär- und Lebensmittelkontrolleuren. Dafür brauchen die Länder mehr Personal; und das kostet. Auch hier ist also Widerstand gegen die geplanten Gesetzesänderungen zu erwarten.

    Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch eine Änderung des Arzneimittelgesetzes, um den Einsatz von Antibiotika in der Tiermast zu reduzieren. Ziel ist es, durch eine Datenbank der Länder den Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung besser zu erfassen und zu kontrollieren. 2011 wurden 1734 Tonnen Antibiotika im Tierbereich eingesetzt, mehr als doppelt so viel wie noch 2005.

    Konkret forderte Künast eine Novelle des Tierschutzgesetzes. Dieses müsse klare Regeln für eine angemessene Haltung, die Behandlung einzelner Tiere sowie Ziele für die Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes vorgeben. "Klar muss auch sein: Tierärzte dürfen nicht gleichzeitig Apotheker sein", fordert Künast. Diese Verknüpfung müsse aufgehoben werden. "Denn dadurch dass sie Apotheker sind, gewinnen sie besonders viel, wenn sie große Mengen verbrauchen und von Rabatten profitieren."

    BUND moniert fehlendes Senkungsziel

    Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland kritisierte das Vorhaben, da eine digitale Erfassung des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung an sich "nicht automatisch eine Reduktion des hohen und missbräuchlichen Einsatzes von Antibiotika" bewirke. Es fehle nach wie vor ein absolutes Senkungsziel. Der Deutsche Bauernverband begrüßte den Vorschlag im Grunde, forderte aber auch Regelungen für den Hobbytierbereich und die Humanmedizin. dpa/AZ/afp

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