Pekings Staatsführung wartete wenige Minuten nach Joe Bidens Inauguration ab, um obligatorische Glückwünsche zu übermitteln. Aber 12.000 Kilometer östlich begrüßte sie den neuen US-Präsidenten mit einer Machtdemonstration: Acht Bomber, vier Kampfjets und ein U-Boot-Abwehrflugzeug hat Chinas Volksbefreiungsarmee am Samstag in die von Taiwan kontrollierte Luftraumüberwachungszone über dem Südchinesischen Meer entsandt. Am Sonntag folgte ein zweites, ähnlich schlagkräftiges Aufgebot. Der eigentliche Adressat dieser militärischen Botschaft dürfte im Weißen Haus sitzen.
Der geopolitische Konflikt um Taiwan, das China als abtrünnige Provinz betrachtet, gleicht einem Tauziehen zwischen den zwei führenden Weltmächten: Sowohl Peking als auch Washington provozieren sich gegenseitig, doch haben sie letztlich kein Interesse an einem Krieg. Dennoch birgt die Eskalationsspirale Gefahren. Taipeh hat sich innerhalb der letzten Jahre längst an Pekings Einschüchterungsaktionen gewöhnen müssen, doch die Provokation vom Wochenende deutet auf eine neue Dimension hin.
Die Antwort Bidens fällt deutlich aus: Die USA stünden felsenfest zu Taiwan und würden der dortigen Führung auch weiterhin zur Selbstverteidigung verhelfen. China solle seinen „militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck“ auf den Inselstaat einstellen. Für Taiwans Bevölkerung sind solche rhetorischen Beistandsbekundungen Balsam für die verunsicherte Volksseele. "Ein neues Kapitel": Reaktionen auf die Amtseinführung von Biden und Harris nach über 40 Jahren wieder eine offizielle Vertreterin von Taiwans Regierung eingeladen wurde, wird als Schritt zur diplomatischen Anerkennung gefeiert. Auf einem anderen Blatt steht, wie weit die Beistandsbeteuerungen der USA gegenüber dem Inselstaat mit 23 Millionen Einwohnern im Ernstfall tragen würden. Die Gewässer rund um Taiwan sind wegen der Handelsrouten von strategisch wichtiger Bedeutung: Wer das Südchinesische Meer kontrolliert, besitzt die ökonomische Macht in der wohl derzeit dynamischsten Wirtschaftsregion.
USA will den Erzrivalen China international isolieren
Die USA versuchen, mit der Taiwan-Frage den Erzrivalen China international zu isolieren. Auch militärisch lässt Washington die Muskeln spielen: Der mehr als 300 Meter lange Flugzeugträger „Theodore Roosevelt“ hat Kurs auf das Südchinesische Meer genommen.
Lesen Sie auch:
- Fragen und Antworten: Was taugt das Abkommen der EU mit China?
- Europa muss China mehr Pflichten auferlegen
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.