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Gedenkfeier: Neonazi-Morde: Merkel bittet Angehörige um Verzeihung

Gedenkfeier

Neonazi-Morde: Merkel bittet Angehörige um Verzeihung

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    Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Gedenkveranstaltung für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt im Konzerthaus in Berlin.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Gedenkveranstaltung für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt im Konzerthaus in Berlin. Foto: Hannibal dpa

    Im Berliner Konzerthaus hat die offizielle Gedenkfeier für die Opfer der Neonazi-Mordserie begonnen. Die Gedenkfeier hatte der am Freitag zurückgetretene Bundespräsident Christian Wulff auf Wunsch der Angehörigen der Opfer initiiert. Anlass ist die im vergangenen Herbst aufgedeckte Mordserie an neun Migranten und einer Polizistin, die der jahrelang unentdeckt gebliebenen Zwickauer Neonazi-Zelle zugeschrieben werden.

    Merkel bittet Angehörige für falsche Verdächtigungen um Verzeihung

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in ihrer Rede bei den Angehörigen der von Neonazis ermordeten Menschen für falsche Verdächtigungen von Ermittlern entschuldigt. Es sei besonders beklemmend, dass Angehörige zu Unrecht unter Verdacht gestanden hätten. Die Hintergründe der rechtsextremistischen Verbrechensserie seien "viel zu lange im  Dunkeln" geblieben, "das ist die bittere Wahrheit", sagte Merkel. "Dafür bitte ich Sie um Verzeihung".

    Sie sagte ein entschlossenes Eintreten des Staates gegen Rechtsextremismus und Gewalt zu. Als Kanzlerin versichere sie den Angehörigen: "Wir tun alles, um die Morde aufzuklären, die  Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken, alle Täter ihrer  gerechten Strafe zuzuführen." Es gelte alles zu tun, "damit sich so etwas nie wieder wiederholen kann". Erste Weichen für eine bessere Zusammenarbeit der Behörden würden bereits gestellt. "Wie schlimm muss es sein, über Jahre falschen Verdächtigungen  ausgesetzt zu sein, statt trauern zu können", sagte die  Regierungschefin vor den Hinterbliebenen der Opfer und den Trauergästen.

    Angela Merkel betonte, überall, wo an den Grundfesten der Menschlichkeit gerüttelt werde, sei Toleranz fehl am Platz. "Die Morde der Thüringer Terrorzelle waren auch ein Anschlag auf unser Land. Sie sind eine Schande für unser Land."

    Die Bundeskanzlerin fordert mehr Wachsamkeit und warnt vor "Verrohung des Geistes"

    Die Bundeskanzlerin forderte die Deutschen eindringlich zu mehr Wachsamkeit gegenüber Rechtsextremismus auf. Intoleranz und Rassismus äußerten sich keinesfalls erst in Gewalt, sagte Merkel als Hauptrednerin während der Gedenkfeier. Zu der Veranstaltung im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt kamen 1200 Gäste.

    Gefährlich seien nicht nur Extremisten, warnte Merkel. Oft stünden Gleichgültigkeit und Unachtsamkeit am Anfang eines Prozesses einer schleichenden Verrohung des Geistes. Überall in der Gesellschaft sollten die Bürger ein feines Gespür für Bemerkungen entwickeln: "Aus Worten können Taten werden", mahnte Merkel. Der Kampf gegen Vorurteile, Verachtung und Ausgrenzung müsse täglich geführt werden.

    Angela Merkel verurteilt das Video der Rechtsextremen auf das Schärfste

    Zu einem Video der Rechtsextremisten, in dem diese die ermordeten Menschen verhöhnten und dabei Elemente der Zeichentrickserie "Paulchen Panther" verwendeten, sagte Merkel, etwas Menschenverachtenderes, Perfideres und Infameres habe sie in ihrer Arbeit noch nicht gesehen.

    Es müsse auch nach den Ursachen für die Taten und die Situation der Täter geforscht werden, forderte die Bundeskanzlerin. Der Staat müsse eingestehen, dass er zum Teil scheitere. "Es ist ein schlimmer Zustand erreicht, wenn Neonazis junge Menschen mit Kameradschaftsabenden einfangen können, weil sich niemand sonst um sie kümmert."

    Merkel verliest Namen der Opfer

    Merkel sagte, die Leben der Opfer seien ausgelöscht worden "durch kaltblütigen Mord". Die Kanzlerin nannte die Namen der neun getöteten Migranten sowie der in Heilbronn erschossenen Polizistin und beschrieb ihre familiäre und berufliche Situation. "Wir ehren die Opfer dieser Terrorgruppe und wir erinnern gleichzeitig auch an  die Opfer weiterer schrecklicher Taten", sagte die Kanzlerin mit Blick auf zwei Sprengstoffanschläge mit Verletzten in Köln, die der Zelle ebenfalls zur Last gelegt werden.

    Viele der Opfer hätten äußerliche Wunden davongetragen, sagte  Merkel. Wie sehr ihre seelischen Verletzungen schmerzten, "das können wir nur ahnen". "Wir vergessen zu schnell, viel zu schnell", mahnte die Kanzlerin. Gleichgültigkeit habe "eine schleichende, aber verheerende Wirkung". afp/dpa

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