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Gaza-Krieg: Bei Anruf Angriff

Gaza-Krieg

Bei Anruf Angriff

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    Alltag in Israel: Soldaten und Zivilisten haben sich am Sonntag wegen eines Raketenalarms in die Toilette eines Cafés geflüchtet.
    Alltag in Israel: Soldaten und Zivilisten haben sich am Sonntag wegen eines Raketenalarms in die Toilette eines Cafés geflüchtet. Foto: Jim Hollander, dpa

    Mein Smartphone klingelt. Es liegt neben mir auf meinem Schreibtisch, hier in Augsburg, während ich für diesen Artikel recherchiere. Doch es ist kein Anruf, es ist ein Alarmsignal: „Tzeva Adom“, „Red Alert“ steht auf dem Display. Alarmstufe Rot.

    Tzeva Adom, so klingt es auch, wenn aus Lautsprechern Israelis vor Raketenbeschuss aus Gaza gewarnt werden. Für mich ist es nur eine Nachricht, sie aber rennen um ihr Leben. Tzeva Adom. Und dann schlagen schon bald die Geschosse ein, falls sie nicht vom Raketenabwehrsystem „Iron Dome“ abgefangen werden, das Israels Städte schützen soll. Weltweit klingeln am Montag Smartphones, wenn auf ihnen die App „Red Alert“ des israelischen Softwareentwicklers Kobi Snir oder ähnliche Anwendungen installiert sind. An manchen Tagen klingeln sie alle paar Minuten.

    Mehr als 100 Raketen auf Israel am Montag

    Alleine am Montag hätten, das sagt eine Armeesprecherin in Tel Aviv am frühen Abend, militante Palästinenser seit Mitternacht mehr als 100 Raketen auf Israel abgefeuert. Im Großraum Tel Aviv heulten zweimal die Warnsirenen, Menschen eilten in Schutzräume.

    Kobi Snir hat Apps programmiert, mit denen man Xylofon spielen oder dreidimensionale Bilder malen kann. Die App „Red Alert“ aber, die er 2012 entwickelte, zählt zu seinen erfolgreichsten. Sie wurde bereits hunderttausende Male heruntergeladen. ARD-Korrespondent Richard C. Schneider meint gar in seinem Videoblog, jeder Israeli habe sie mittlerweile auf seinem Smartphone. Tatsächlich gehört sie zum Alltag einer stetig wachsenden Zahl von Israelis.

    Medienberichten zufolge erhält „Red Alert“ seine Informationen über drohenden Raketen- oder Mörsergranatenbeschuss aus Gaza vom israelischen Militär. Nutzer können unter verschiedenen Warntönen wählen – und die App so einrichten, dass sie über ihr Wohngebiet informiert werden. Bis zu dreißig Sekunden vergehen in der Regel zwischen offizieller Raketenwarnung per Sirene und Benachrichtigung der Nutzer per App.

    „Red Alert“ eine Art Lebensretter

    Für viele Menschen sei „Red Alert“ eine Art Lebensretter, sagt Schneider. Sie begännen dann sofort zu laufen, in Bunker oder Schutzräume. Dennoch gibt es Kritik. Nicht nur, dass „Red Alert“ mit Werbebannern, die über Raketenmeldungen eingeblendet werden, Einnahmen erziele. Die App helfe, die Luftangriffe gegen Gaza moralisch zu rechtfertigen, sie sei ein Propagandainstrument der israelischen Regierung, schrieb kürzlich die Neue Zürcher Zeitung. Die Begründung lautete: „Nutzer auf der ganzen Welt können die Anwendung gratis herunterladen und so die Bombenangriffe in Echtzeit miterleben.“ Dies schaffe „Betroffenheit unter Israels Anhängern“.

    Es macht mich wirklich betroffen, wenn mein Smartphone klingelt. Denn jedes Klingeln bedeutet: Das Blutvergießen im Gaza-Krieg ist nicht beendet, von einer Lösung sind Israelis und Hamas weit entfernt.

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