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Gaza-Konflikt: Israel verschärft Angriffe

Gaza-Konflikt

Israel verschärft Angriffe

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    Israel hat seine Angriffe verschärft, nachdem seit Freitag ein Soldat des Landes vermisst wird.
    Israel hat seine Angriffe verschärft, nachdem seit Freitag ein Soldat des Landes vermisst wird. Foto: Jim hollander (dpa)

    Seit Israel am Freitag eine "intensive Suche" nach dem Vermissten ankündigte, wurden bei Angriffen auf das Küstengebiet mehr als hundert Palästinenser getötet. In einer ersten Reaktion auf das Verschwinden des 23-jährigen Leutnants erklärten die Brigaden der radikalislamischen Hamas allerdings in der Nacht, "keine Information" zu dessen Schicksal zu haben.

    Das sind die Akteure und Vermittler im Gaza-Konflikt

    HAMAS: Die Kernforderung der im Gazastreifen herrschenden Hamas ist eine Aufhebung der Blockade des Palästinensergebiets durch Israel und Ägypten. Sie ist derzeit nicht zu einer Rückkehr zum Status quo vor Ausbruch der neuen Kämpfe bereit. Außerdem fordert sie die Freilassung von rund 50 Hamas-Häftlingen, die im Tausch gegen den israelischen Soldaten Gilad Schalit freigelassen, dann aber nach dem Mord an drei israelischen Teenagern wieder festgenommenen worden waren. Die Verhandlungen für die Hamas führt der Exilchef der Organisation, Chaled Maschaal. Er betont, nach all den Todesopfern könne Hamas nicht von ihren Forderungen abweichen. Es seien inzwischen die Forderungen aller Palästinenser im Gazastreifen.

    DIE PALÄSTINENSERBEHÖRDE: Der gemäßigte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist als Vermittler zwischen den verschiedenen Parteien im Einsatz. Auch er tritt für eine Aufhebung der Blockade des Gazastreifens ein, die schon 2006 begonnen hatte und dann immer weiter verschärft wurde. Seine Fatah-Organisation hatte Anfang Juni eine Einheitsregierung mit der rivalisierenden Hamas gebildet.

    ISRAEL: Israel hat die von Ägypten vorgeschlagen Waffenruhe akzeptiert, die Hamas bisher ablehnt. Der jüdische Staat fordert als Bedingung für ein Ende seiner Angriffe im Gazastreifen einen Stopp der Raketenangriffe militanter Palästinenser auf israelische Städte und eine Wiederherstellung der Ruhe. Rechtsorientierte Kabinettsmitglieder haben allerdings eine Zerschlagung der Hamas und ihrer militärischen Infrastruktur im Gazastreifen verlangt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich für eine Entwaffnung der Hamas ausgesprochen.

    KATAR: Das kleine, aber einflussreiche Emirat sieht sich als «Verbindungskanal» zwischen der Hamas und der internationalen Gemeinschaft. Die Hauptstadt Doha war in den vergangenen Tagen Zentrum intensiver Verhandlungen. Katar und sein Scheich Tamim bin Hamad al-Thani sind wichtigster Geldgeber der Hamas. Das Emirat ließ wissen, es werde keinen Druck auf die Palästinenserorganisation ausüben, die von Ägypten vorgeschlagene Waffenruhe zu akzeptieren. Hier spiegelt sich auch das schlechte Verhältnis zwischen Kairo und Doha wider. Katar unterstützt in Ägypten die Muslimbrüder, die vor einem Jahr vom ägyptischen Militär gestürzt worden waren.

    ÄGYPTEN: Unter Langzeitherrscher Husni Mubarak und auch unter dem islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi war Ägypten wichtigster Vermittler im Nahost-Konflikt. Doch diese Rolle hat Kairo verloren. Vor allem das Verhältnis zur Hamas ist schlecht, die einst aus den in Ägypten massiv verfolgten Muslimbrüdern hervorging. Kritiker klagen, Ägypten rede über die Hamas, aber nicht mit ihr - direkte Gespräche zwischen beiden Seiten gebe es nicht. Als Hamas-Exilchef Chaled Maschaal erklärte, Ägypten habe ihn zu Gesprächen eingeladen, ließ Kairo über Diplomaten verbreiten, diese Nachricht gehöre zu der «Kette von Lügen», die Hamas in die Welt setze.

    TÜRKEI: Wie Katar gehört auch die Türkei zu den Unterstützern der Hamas. Beide Länder haben sich in den vergangenen Tagen abgestimmt und die Bedingungen der Palästinenserorganisation für eine Waffenruhe abgesegnet. Das Verhältnis Ankaras zu Israel ist seit dem Übergriff israelischer Soldaten auf Aktivisten an Bord des türkischen Schiffes «Mavi Marmara» 2010 angespannt. Für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan kommt der Gazakonflikt zudem zu einer ungünstigen Zeit, da er sich im Wahlkampf für das Präsidentenamt befindet. Erdogan warf Israel wegen der Gaza-Militäroffensive Grausamkeiten vor, die sogar «Hitler» überträfen.

    USA: Für Amerika bedeutet der Konflikt einen Drahtseilakt: Einerseits betont Barack Obama, dass Washington fest an der Seite Israels stehe. Jedes Land habe das Recht, sich gegen Raketenbeschuss zu verteidigen. Andererseits ist er über die steigenden Opferzahlen in Gaza besorgt. Hinter vorgehaltener Hand fragt sich Washington, ob die Gewalt in Gaza tatsächlich angemessen ist. Zwar hat Obama sich als Vermittler angeboten. Doch eine Strategie, wie es beide Seiten zur Mäßigung bringen könnte, lässt Washington nicht erkennen. Erst kürzlich sind die USA mit ihrem Vermittlungsversuch in Sachen Nahostfrieden gescheitert. Die Autorität der USA im Nahen Osten dürfte dadurch wohl nicht gewachsen sein.

    Nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte wurden seit dem Verschwinden des Soldaten Hadar Goldin am Freitagvormittag mindestens 107 Palästinenser getötet und 350 weitere verletzt. Allein in der Nacht zum Samstag seien bei mehreren israelischen Luftangriffen in Rafah 19 Menschen gestorben, darunter 15 Mitglieder einer Familie, erklärte ein Sprecher. In den Trümmern eines Hauses in der Stadt wurden außerdem am Abend vier Leichen entdeckt.

    Waffenruhe im Gazastreifen hält nur wenige Stunden an

    In der Nähe von Rafah im südlichen Gazastreifen soll der israelische Soldat bei einem Angriff auf seine Einheit verschleppt worden sein, bei der nach Angaben der Armee auch zwei seiner Kameraden starben. Demnach tauchten "Terroristen" aus Verstecken im Boden auf, als die israelische Einheit gerade dabei war, Tunnel der Hamas zu zerstören - angeblich zu einem Zeitpunkt, an dem eine zuvor vereinbarte Feuerpause bereits begonnen hatte. Sie sollte eigentlich drei Tage dauern, war aber schon nach wenigen Stunden gebrochen worden.

    Die Essedin-al-Kassam-Brigaden erklärten hingegen in der Nacht zum Samstag, sie hätten "keine Information" zum Schicksal von Goldin. "Wir haben den Kontakt zu einer unserer Kampfgruppen verloren, die in der Gegend gekämpft haben, in der der Soldat verschwunden ist", hieß es. Es sei möglich, dass der vermisste Soldat sowie die eigenen Kämpfer tot seien. Die Brigaden erklärten außerdem, dass die tödlichen Zusammenstöße bei Rafah eine Stunde vor der geplanten Waffenruhe stattgefunden hätten.

    Eigentlich hatten sich Israel und die Hamas auf eine 72-stündige Feuerpause geeinigt, die am Freitagmorgen in Kraft trat, wenig später aber wieder gebrochen wurde. Beide Seiten warfen sich gegenseitig vor, die Vereinbarung gebrochen zu haben. Ein Ende der Gewalt rückte mit dem Verschwinden des Soldaten wieder in unendliche Ferne. Entführte Streitkräfte sind ein sensibles Thema für die israelische Armee, die in der Regel bereit ist, einen hohen Preis für die Freilassung ihrer Soldaten zu zahlen.

    Menschen im Gazastreifen sind auf der Flucht

    Die israelische Justizministerin Zipi Livni erklärte ihrerseits, die Hamas werde einen "hohen Preis" zahlen und warf ihr vor, für das Verschwinden Goldins verantwortlich zu sein. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und US-Präsident Barack Obama forderten die sofortige und bedingungslose Freilassung des Soldaten.

    Seit Beginn der israelischen Militäroffensive vor über drei Wochen starben nach neuen palästinensischen Angaben bereits mehr als 1650 Palästinenser, die allermeisten von ihnen Zivilisten. Auf israelischer Seite wurden 63 Soldaten und drei Zivilisten getötet. Die Wasser- und Stromversorgung im Gazastreifen liegt am Boden, die Bewohner ganzer Ortschaften sind in dem abgeriegelten Küstenstreifen auf der Flucht.

    Der saudiarabische König Abdullah kritisierte in einer Rede nach der gescheiterten Waffenruhe am Freitag das "unentschuldbare" Schweigen der internationalen Gemeinschaft zu Israels Vorgehen im Gazastreifen. Das Land begehe vor den "Augen und Ohren" der Welt Kriegsverbrechen in dem Palästinensergebiet, beklagte der Monarch und forderte humanitäre Feuerpausen. dpa

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