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Gauck-Nachfolge: Poker um Bundespräsidentenamt: Chancen für Steinmeier steigen

Gauck-Nachfolge

Poker um Bundespräsidentenamt: Chancen für Steinmeier steigen

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    Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel (2.v.l.) verlässt das Kanzleramt nach einem Treffen der Parteichefs zur Suche nach einem Bundespräsidenten-Kandidaten.
    Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel (2.v.l.) verlässt das Kanzleramt nach einem Treffen der Parteichefs zur Suche nach einem Bundespräsidenten-Kandidaten. Foto: Britta Pedersen (dpa)

    Die Hängepartie um die Gauck-Nachfolge geht in eine neue Runde. Auch bei ihrem zweiten Spitzentreffen innerhalb einer Woche haben sich die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten im Februar einigen können. Eine Kampfkandidatur zwischen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und einem Bewerber oder einer Bewerberin der Union wird damit immer wahrscheinlicher - allerdings ist das Tischtuch zwischen den Koalitionären in der P-Frage offenbar noch nicht ganz zerschnitten. Eine Einigung auf Steinmeier, hieß es am Abend in Berlin, sei möglich. Die Entscheidung darüber fällt vermutlich bereits am Montag.

    SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte die Runde im Kanzleramt bereits nach einer guten Dreiviertelstunde wieder verlassen, anschließend berieten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer noch kurz zu zweit. Ob es dabei um die Frage eines eigenen Unionskandidaten ging, blieb zunächst unklar. Bundesbankpräsident Jens Weidmann spielt in diesen Überlegungen nach Informationen unserer Zeitung keine Rolle. Spekulationen, Seehofer favorisiere den früheren Merkel-Berater, seien weit hergeholt, hieß es am Abend in CSU-Kreisen. Als mögliche Herausforderer für Steinmeier sind in der Union nach wie vor Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und seine saarländische Kollegin Annegret Kramp-Karrenbauer im Gespräch. Dass Bundestagspräsident Norbert Lammert sein Nein zurücknimmt und doch antritt, gilt als ausgeschlossen.

    CDU und CSU: Telefonkonferenz am Montag

    Sollten sich die Spitzen von CDU und CSU in ihrer Telefonkonferenz am Montagvormittag für einen gemeinsamen Kandidaten der Großen Koalition aussprechen, wird dies aller Voraussicht nach Steinmeier sein. Einen ähnlich bekannten und populären Kandidaten haben Merkel und Seehofer bislang nicht gefunden, auch in dem Gespräch mit Gabriel gestern Nachmittag nannten sie nach Informationen unserer Zeitung keine weiteren Namen. Damit wächst der Druck auf die beiden Parteivorsitzenden, einen eigenen Bewerber zu präsentieren - mit weit über 500 Stimmen stellt die Union den mit Abstand größten Block in der Bundesversammlung.

    Kein Thema mehr ist offenbar eine Kandidatur des evangelischen Theologen und Philosophen Richard Schröder, der zwar als SPD-nah gilt, der aber bis weit in die Union hinein Respekt genießt. Schröders Name sei „mit auf dem Tableau“ gewesen, bestätigten mehrere CSU-Obere auf Anfrage. Da Gabriel aber auf Steinmeier beharre, stelle sich diese Frage nicht mehr. Auch ein gemeinsamer Kandidat von CDU, CSU und Grünen ist danach eher unwahrscheinlich. Dazu seien die Grünen mit ihrem Parteitag am Wochenende in Münster viel zu weit nach links gerückt.

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

    In der Bundesversammlung am 12. Februar hat die Union nur gemeinsam mit der SPD oder gemeinsam mit den Grünen eine sichere Mehrheit. Bei einer Kampfabstimmung dürfte Steinmeier allerdings spätestens im dritten Wahlgang die etwas besseren Chancen haben als ein Kontrahent von CDU und CSU. In den ersten beiden Wahlgängen verlangt das Grundgesetz die absolute Mehrheit von 631 Stimmen, im dritten Durchgang genügt dann bereits die einfache Mehrheit. Da der Widerstand gegen den Außenminister in der Linkspartei bröckelt und sich auch eine Reihe von FDP-Delegierten vorstellen kann, ihn zu wählen, hat Steinmeier gegenwärtig die besten Chancen, neues Staatsoberhaupt zu werden. Nach einer Umfrage des Emnid-Institutes halten ihn 62 Prozent der Deutschen für den geeignetsten Mann.

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