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Gastbeitrag: Wie die Medien Donald Trump auf den Leim gehen

Gastbeitrag

Wie die Medien Donald Trump auf den Leim gehen

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    Donald Trump am Wochenende auf dem Balkon des Weißen Hauses.
    Donald Trump am Wochenende auf dem Balkon des Weißen Hauses. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

    Donald Trump ist auf seine Weise ein Geniestreich gelungen: Seine Nominierung von Bundesrichterin Amy Coney Barrett als Kandidatin für den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat sowohl bei den US-Demokraten als auch in weiten Teilen der Medien eine instinktive Reaktion ausgelöst: Igitt, die ist ja religiös!

    Doch laut dem amerikanischen Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center fühlen sich 73 Prozent der US-Bevölkerung einer organisierten Religion zugehörig. Mit aller Kraft versucht zurzeit der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden den Religiösen in seinem Land zu vermitteln, dass man sowohl religiös als auch Demokrat sein, zumindest aber einen Demokraten wählen kann.

    Dieser Kurs der bewussten Annäherung an religiöse Sensibilitäten ist nicht zuletzt eine Lehre, die die demokratische Führung aus der Wahlkampfniederlage gegen Donald Trump 2016 gezogen hat. Hilary Clintons schlechtes Abschneiden in verschiedenen religiösen Milieus der US Gesellschaft wird heute damit erklärt, dass Hilary Clinton schwerhörig auf dem religiösen Ohr war. In vielerlei Hinsicht fühlten sich religiöse Wähler von ihren Werten und ihrer Programmatik verunsichert.

    Demokraten tappen naiv in die Falle der Trump-Seite

    Auf Trumps Seite wusste man immer, dass der Immobilienmogul aufgrund seines Lebenswandels niemals der „fromme“ Kandidat sein könnte. Dennoch gelang es seinem Lager, Hilary Clinton als die „anti-religiöse“ Kandidatin darzustellen, vor der sich die Frommen zu fürchten hätten. Trump wurde als „das kleinere Übel“ zum bevorzugten Kandidaten der Frommen. 2016 gaben beispielsweise 81 Prozent der evangelikalen Wählerschaft ihre Stimme für Trump ab.

    Vier Jahre später versucht nun Joe Biden sich als braver Katholik darzustellen, vor dem sich die Frommen im Land nicht fürchten müssen. Aber kaum nominiert Trump eine Frau als Richterin für den Supreme Court, da fällt progressiven und liberalen Meinungsmachern nichts Besseres ein, als erst mal an deren katholischer Religiosität Anstoß zu nehmen.

    Ja, die katholische Kirche vertritt seit langem eine bestimmte Haltung zum Thema Abtreibung. Praktizierende Katholiken sind zudem hinsichtlich vieler „family values“ oft traditioneller als nichtreligiöse Menschen. Aber mit der geradezu instinktiv ablehnenden Reaktion in der Demokratischen Partei und den liberalen Medien auf die religiöse Orientierung von Frau Barrett tappen die Demokraten naiv in die Falle, die ihnen die Trump-Seite gestellt hat. Sie offenbaren eine anti-religiöse Grundhaltung, mit der sie die Frommen im Lande vor den Kopf stoßen.

    Trump treibt Keil zwischen Fromme und Demokraten

    Viele Katholiken, die zuletzt mit dem Gedanken an eine Wahl Bidens zu spielen begonnen haben, erfahren in diesen Tagen wieder, dass das kulturelle Milieu, das Biden unterstützt, bestenfalls Unverständnis, oft aber auch Verachtung für religiöse Menschen empfindet. Diese fühlen sich als Hinterwäldler und Fundamentalisten verunglimpft. Damit ist es Trump spektakulär gelungen, wieder einen Keil zwischen die Frommen und die Demokratische Partei zu treiben. Das ist für Biden besonders problematisch, wenn man bedenkt, dass Religiosität ein wichtiges Element schwarzer Identität in den USA darstellt, und dass die meisten Latinas und Latinos katholisch sind.

    Wenn auch deutsche Medien instinktiv zu Begriffen wie „erzkatholisch“ und „stockkonservativ“ greifen und diese inhaltlich doch sehr unterdeterminierten Begriffe als geradezu gleichbedeutend verwenden, dann tun sie damit dem großen Vereinfacher Trump einen mächtigen Gefallen. Übersehen wird dabei, dass kirchliche Positionen zur Todesstrafe, zu Einwanderung und zur Klimapolitik ganz und gar nicht deckungsgleich mit „konservativen“ Positionen im Sinne Trumps und seiner Partei sind. Sollte sich Barrett aufgrund politischer Loyalitäten für Positionen einsetzen, die ihrer Glaubenstradition entgegenstehen, dann ist es die Aufgabe kritischer Medien, solche inneren Spannungen und Widersprüche sichtbar zu machen statt politische und religiöse Kategorien achtlos zu verwischen.

    Nun hat die mehrtägige Anhörung Barrets im US-Senat begonnen und die Öffentlichkeit wird mehr über die religiösen und politischen Ansichten Frau Barretts erfahren. Auf dieser Basis wird man sie politisch einschätzen können. Doch vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Kulturkampfs in den USA bleibt jegliche Vorverurteilung Barretts auf Basis ihrer Religiosität ein Punktsieg für Donald Trump.

    Armin Kummer

    Der Volkswirt arbeitet an der Katholischen Universität im belgischen Leuven als Religionsforscher.

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