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Gastbeitrag: Medizinstrafrechtler: Warum eine Cannabis-Freigabe so riskant ist

Gastbeitrag

Medizinstrafrechtler: Warum eine Cannabis-Freigabe so riskant ist

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    Der Umgang mit Cannabis erhitzt die Gemüter.
    Der Umgang mit Cannabis erhitzt die Gemüter. Foto: Oliver Berg, dpa

    In den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, FDP und Grünen liegt ein Thema auf dem Tisch, das seit vielen Jahren hitzig diskutiert wird: die Legalisierung von Cannabis. Die Argumente für eine Freigabe „weicher“ Drogen sind bekannt: Haschisch hat ein deutlich geringeres Suchtpotenzial als viele „harte“ Drogen, ein gelegentlicher Joint ist für Erwachsene nicht gesundheitsgefährdender als das Feierabendbier. Wieso also den Besitz von Cannabis zum Eigenbedarf unter Strafe stellen, wenn für Alkohol sogar geworben werden darf?

    Das Totalverbot dämmt den Konsum zwar ein, drängt die Kunden aber in den Schwarzmarkt, auf dem die Organisierte Kriminalität hohe Gewinne erwirtschaftet. Zudem binden Ermittlungen wegen des Besitzes geringer Mengen von Haschisch erhebliche Ressourcen in den Strafverfolgungsbehörden – auch wenn die Verfahren regelmäßig eingestellt werden.

    Regulierte Freigabe von Cannabis könnte falsches Signal an Jugendliche aussenden

    Die Grünen schlagen daher vor, „mit einem Cannabiskontrollgesetz auf der Grundlage eines strikten Jugend- und Verbraucherschutzes einen regulierten Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften (zu) ermöglichen.“ Tatsächlich kommt dem Schutz Jugendlicher eine besondere Bedeutung zu. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung fördert regelmäßiger Cannabis-Konsum bei Jugendlichen die Entstehung von „kognitiven Leistungseinschränkungen“ und Entwicklungsdefiziten „im emotional-sozialen Bereich“. Außerdem bestehe bei Jugendlichen „ein erhöhtes Risiko, von Cannabis abhängig zu werden.“ Und: Cannabis-Konsum kann Gerichtsgutachtern zufolge Psychosen auslösen, in deren Folge die Konsumenten gewalttätig werden, sich und andere gefährden.

    Angesichts dieser Gefahren lässt sich bezweifeln, dass eine regulierte Freigabe von Cannabis das richtige Signal an Jugendliche aussendet. Werden sie diesen Erfolg der „Legalize it“-Bewegung nicht eher als Beleg für die Harmlosigkeit weicher Drogen auffassen?

    Der Schwarzmarkt für Cannabis wird auch nach einer Legalisierung nicht verschwinden

    Diesem Effekt wollen die Grünen mit Präventionsmaßnahmen entgegenwirken; dabei ist jedoch unklar, worin sich diese Maßnahmen von bestehenden Aufklärungskampagnen und Schutzkonzepten unterscheiden. Zum Jugendschutzkonzept soll ferner ein Werbeverbot gehören, auch wenn sich dies kaum mit der größten Werbeaktion verträgt, die überhaupt vorstellbar ist: der Legalisierung des Verkaufs von Drogen in Fachgeschäften. Aufklärung, Prävention und Werbeverbot sind keine neuen oder gar innovativen Instrumente; genutzt werden sie heute schon bei dem Versuch, den Alkohol- und Zigarettenkonsum durch Jugendliche einzuhegen. Aus diesem Teil des Jugendschutzrechts stammt auch die Idee, Fachgeschäften nur den Verkauf von Cannabis an Volljährige zu gestatten. Wie dies dem Jugendschutz dienen soll, ist unklar, werden sich die besonders gefährdeten Jugendlichen doch dann bei illegalen Anbietern eindecken. Auch der Schwarzmarkt wird also nicht verschwinden, sondern bestenfalls kleiner werden, realistischerweise aber sein Angebot verbreitern oder Cannabis billiger anbieten als lizensierte Fachgeschäfte.

    Zudem sorgt die Altersbegrenzung dafür, dass ganz neue Täter auf dem Schwarzmarkt aktiv werden – schlimmstenfalls volljährige Jugendliche, wenn sie von ihren jüngeren Freunden gebeten werden, für diese Haschisch im Fachgeschäft zu kaufen. Dem ließe sich zwar mit einer personalisierten Maximalabgabemenge pro Tag und Woche entgegenwirken. Davon ist aber bislang nicht die Rede.

    Vielleicht setzen die grünen Rechtspolitiker stattdessen darauf, dass Volljährige ihre legal erworbenen Drogen aus Angst vor Strafe nicht an befreundete Jugendliche weiterreichen werden. Denn dies kann gravierende Konsequenzen haben: Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren bzw. fünfzehn Jahren, wenn der Täter älter als 21 Jahre ist. Die Legalisierung des Erwerbs könnte also paradoxerweise dazu führen, dass junge Erwachsene vermehrt wegen unerlaubter Weitergabe von Drogen verfolgt werden. Wollte eine neue Regierung diesen Effekt vermeiden, müsste sie das Betäubungsmittelgesetz in seinem Kernbereich ändern, was rechtspolitisch wenig attraktiv erscheint.

    Woher soll das Cannabis kommen, das in Deutschland werden könnte?

    Damit sind nur einige der Fragen benannt, die sich mit der scheinbar einfachen Beendigung der Verbotspolitik im Inland stellen. Erst recht ist ungeklärt, aus welchen Anbaugebieten das Cannabis stammen wird, das in Deutschland legal verkauft werden soll. Dabei muss verhindert werden, dass der legale Verkauf in Deutschland Drogenkartelle in Produzentenländern oder kriminelle Banden entlang verschlungener Lieferketten finanziert.

    All dies zeigt, dass sich die Legalisierung von Cannabis nicht für einen rechtspolitischen Schnellschuss oder gar einen Startschuss der Regierungskoalition eignet. Die Lösung darf nicht weniger komplex sein als das Problem.

    Zum Autor: Der gebürtige Aachener Michael Kubiciel lehrt Medizin- und Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Augsburg.

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