Die Staatsrechtlerin und ehemalige Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff hält die Verhängung von Ausgangssperren auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes mit dem Grundgesetz für vereinbar. "Wenn Empfehlungen zum Abstandhalten von den Bürgern in erheblicher Zahl nicht freiwillig befolgt werden, können für eine begrenzte Zeit auch Ausgangssperren verhältnismäßig sein", sagte die Bielefelder Professorin unserer Redaktion.
Länger andauernde derart massive Eingriffe seien allerdings nur für bestimmte Risikogruppen zu rechtfertigen, betonte sie.
Ausgangssperren: Infektionsschutzgesetz vorsorglich sehr weit gefasst
"Der Gesetzgeber hat im Infektionsschutzgesetz bewusst eine sehr weit gefasste Ermächtigung für die "notwendigen Maßnahmen" vorgesehen, weil nicht im Einzelnen vorhersehbar ist, was beim Auftreten übertragbarer Krankheiten an Schutzmaßnahmen erforderlich werden kann", sagte Lübbe-Wolff, die 2002 bis 2014 Richterin am zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts war. "Allerdings müssen die Maßnahmen verhältnismäßig sein", betonte die Rechtswissenschaftlerin.
Coronavirus: Durchdachtes Schutzkonzept nötig
Ausgangssperren müssten aber insbesondere "ein durchdachtes Schutzkonzept zugrunde liegen, nicht eines, das nach der Rückkehr Richtung Normalität gleich in sich zusammenfällt, weil dann das kurzfristig gebremste Infektionsgeschehen sofort wieder neue Dynamik gewinnt", sagte Lübbe-Wolff.
"Länger dauernde massive Beschränkungen sind womöglich nur für die besonderen Risikogruppen zu rechtfertigen, die im Infektionsfall das Gesundheitssystem besonders leicht überfordern – vor allem Ruheständler", erklärte die Professorin für Öffentliches Recht. "Von deren Mobilität hängt auch nicht ihre ganze Lebensgrundlage und das gesamte Wirtschaftsgeschehen ab, von dem wir alle leben, auch der Staat", fügte die frühere Verfassungsrichterin hinzu. (AZ)
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