Sie ist nicht da, sondern in Amerika. Dennoch erlebt Greta Thunberg in Schweden ein Heimspiel. Es ist wie ein Popkonzert. „Greta, Greta, Greta!“ – Tausende rufen in Stockholm den Namen ihres Idols. Dann erscheint Greta Thunbergs Gesicht live auf der riesigen Videoleinwand. Stockholm kreischt. Kollektiv gehen die Hände nach oben. „Heute ist ein historischer Tag“, sagt die Klima-Aktivistin. Stockholm jubelt.
Greta Thunberg ist in Schweden ein Klima-Popstar
Thunberg – beigefarbener Kapuzenpulli, das Haar ein bisschen wirr – meldet sich per Livestream aus New York, exklusiv für ihre Heimatstadt. Es ist nicht der Tag der großen Parolen: Kurz vor dem Klimagipfel der Vereinten Nationen holt sich Klima-Popstar Greta von ihren Fans einfach noch mal Unterstützung. „Hier in den USA ist es dasselbe wie in Europa: dieselben Ausreden, dieselben Lügen, nichts passiert“, sagt die 16-Jährige auf Schwedisch. Ihr Ziel beim Klimagipfel? „Druck machen, damit sich endlich etwas ändert.“
Thunbergs Augen wirken riesig, als sie sich von den zehntausend Demonstranten auf dem Medborgarplatsen im hippen Stockholmer Stadtteil Södermalm bejubeln lässt. Sonst zeigt sie wenig Regung, so kennt man sie. Trotzdem werden ihre Worte um den Erdball gehen – in 2600 Städten in fast 160 Staaten wurde an diesem Freitag die „Global Week for Future“ ausgerufen, die „Woche für die Zukunft“. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte Greta Thunberg allein mit ihrem Klimastreik angefangen, diesmal streiken vier Millionen – in Australien, Afrika, aber auch in Deutschland. „Was wollen wir?“, ruft Thunberg von der Leinwand in Stockholm: „Klimagerechtigkeit!“ Sie möchte noch etwas wissen: „Wollt ihr weitermachen?“ Wie ein lauter Knall schallt es zurück: „Ja!“
Fridays For Future ist überall, in Ghana, Südafrika oder Indien
Aus Gretas Protest mit ihrem Pappschild an jedem Freitag vor dem Schwedischen Reichstag ist spätestens seit dieser Woche eine weltweite Bewegung geworden. Auch in Afrika gingen tausende Menschen für den Klimaschutz auf die Straße, selbst im Kohleexportland Südafrika hielten junge Menschen Plakate mit Aufschriften wie „No future on a dead planet“ (Keine Zukunft auf einem toten Planeten) oder „Kohle tötet“ in die Kameras.
In Kapstadt wurden laut Veranstalter 2000 Demonstranten gezählt. Aus dem ugandischen Kampala oder dem kenianischen Nairobi und der ölreichen Niger-Delta-Region Nigerias wurden mit die größten bisherigen Umweltproteste gezählt. Im westafrikanischen Ghana organisierten Aktivisten laut dem britischen Sender BBC ebenfalls einen Protestmarsch. Die Regierung stellte es Schülern und Studenten frei, daran teilzunehmen. Sie müssen keine Konsequenzen befürchten. Im von Wüstenbildung bedrohten Senegal drängten junge Leute zu schnellem Handeln und forderten Klimagerechtigkeit.
In Indien beteiligten sich am Freitag mehrere tausend Kinder und Jugendliche an den weltweiten Demonstrationen. Auch in London nahmen bis zu 100.000 Menschen an den Protesten teil, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche, aus Brüssel meldete die Polizei 15.000 Demonstranten. In Paris zählte ein auf Ansammlungen spezialisiertes Forschungsunternehmen 9400 Teilnehmer.
In München demonstrieren Zehntausende für den Klimaschutz
Auch in Deutschland gingen nach Veranstalterangaben über eine Million Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße, die Polizei ging in offiziellen Schätzungen von mehreren hunderttausend aus. Allein 270.000 Menschen versammelten sich demnach in Berlin. Auf Plakaten waren Slogans zu lesen wie: „Ihr habt verschlafen, wir sind aufgewacht“, „Hört auf, uns zu verKOHLEn“, „Kurzstreckenflüge nur für Bienen“ oder „Dieser Planet wird heißer als mein Freund“. Vereinzelt wurden kurz Straßen blockiert, unter anderem in Frankfurt und Berlin.
In München sprachen die Polizei wie die Veranstalter von 40.000 Teilnehmern und verlängerten deswegen die Route für den Demozug durch die Innenstadt kurzfristig. Es war damit eine der größten Demonstrationen in München seit langem, größer als vor einem Jahr der Protest gegen das umstrittene bayerische Polizeigesetz. Auch in Augsburg mit über 6000 und in Kempten mit rund 2000 Teilnehmern zählte der Klimastreik zu den größten Protestzügen seit Jahren. (mit dpa,AZ)