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Frauenrechtsgruppe Femen: Blank ziehen für die Demokratie

Frauenrechtsgruppe Femen

Blank ziehen für die Demokratie

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    Mehrere halbnackte Aktivistinnen stürmten am Messestand von Volkswagen auf Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Russlands Präsident Putin zu.
    Mehrere halbnackte Aktivistinnen stürmten am Messestand von Volkswagen auf Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Russlands Präsident Putin zu. Foto: dpa

    Wenn sie auftreten, dann ist ein Eklat vorprogrammiert. Ihr Protest ist immer nackt und laut: Die ukrainische Frauenrechtsgruppe „Femen“. Seit Anfang des Jahres agiert sie auch in Deutschland. Zuletzt machten vier Femen-Frauen auf der Hannover-Messe Radau und stürmten entblößt und mit den Worten „Fuck dictator“ auf das russische Staatsoberhaupt Wladimir Putin zu. Folge des Protests: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ – auch gegen Alexandra Schewtschenko. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagt sie, der Kopf der Gruppe in Deutschland: „Die Strafverfolger ermitteln nur gegen uns, weil Putin auf Merkel viel Einfluss hat.“

    Die Mitglieder von Femen protestieren mit nacktem Oberkörper

    Der aktuelle Fall weist eine Besonderheit auf: Die Straftat wird laut Staatsanwaltschaft in Hannover nur verfolgt, wenn die russische Regierung ein sogenanntes Strafverlangen äußert. Im Klartext: Sollte Putin wollen, dass Schewtschenko auf der Anklagebank landet, wird sie es auch. „Anschließend muss nur noch die Bundesregierung eine Ermächtigung für die Anklage erteilen“, erklärt Alexander Wiemerslage, Sprecher im niedersächsischen Justizministerium.

    Das ist Femen

    Femen ist eine internationale Frauenbewegung.

    Die Organisation tritt für die Selbstbestimmung der Menschen - vor allem der Frauen ein.

    Femen will zudem die größte Frauenrechtsbewegung der Welt werden.

    Bekannt wurde Femen durch ihre Oben-ohne-Proteste: Halbnackte Aktivistinnen demonstrieren bei Großveranstaltungen und lassen sich öffentlichkeitswirksam festnehmen.

    Gegründet wurde Femen im April 2008 in Kiew/Ukraine, unter anderem aus Protest gegen den dortigen Sex-Tourismus.

    Gründerin ist die 1984 geborene Anna Hutsol.

    Femen-Aktivistinnen zeigen sich oft mit einem bunten Blumenkranz im Haar.

    Die Protest-Aktionen von Femen finden regelmäßig ihren Weg in eine breite Öffentlichkeit. Denn wenn die Aktivistinnen sich nackt zeigen, sind die Fotografen der Weltpresse mit dabei.

    Femen-Mitglieder bezeichnen sich selbst als Sextremistinnen.

    Femen-Aktivistinnen protestierten unter anderem gegen Silvio Berlusconi und Wladimir Putin, gegen Gazprom und die Katholische Kirche.

    Mehrfach landeten Aktivistinnen nach Protestaktionen im Gefängnis.

    Die 25-jährige Alexandra Schewtschenko rechnet fest damit, sich vor Gericht verantworten zu müssen. Die ganze Sache werde nur so betrieben, weil Russland großen Einfluss auf die Bundesregierung habe. „Als wir damals vier Stunden festgehalten wurden, sagten sogar einige der Polizisten zu uns, dass sie gut fänden, was wir tun“, sagt die Ukrainerin. Der politische Einfluss Russlands veranlasse die Bundesregierung weiter zu ermitteln.

    Fest steht für die Gruppe und ihre Anführerin: Sie werden weitermachen, ganz gleich, wie oft sie eingeschüchtert werden. In Deutschland gibt es mittlerweile 30 Mitglieder der Gruppe. Tendenz steigend. Oberkörperfrei propagieren die Aktivistinnen, die sich selbst „Sextremistinnen“ nennen, Frauenrechte oder demonstrieren gegen Prostitution. Ihr oberstes Ziel: Gegen das Machtverständnis autoritärer Politiker zu kämpfen und auf Missstände aufmerksam zu machen – vor allem in osteuropäischen Ländern.

    In naher Zukunft ist ein weiterer Nacht-Protest geplant

    Um die Bewegung hierzulande auszubauen, bringt die ehemalige BWL-Studentin Schewtschenko angehenden Mitgliedern in Seminaren bei, wie man eine „gute“ Aktivistin wird. Die Hoffnung hat sie noch nicht verloren, etwas verändern zu können: „In Deutschland funktioniert die Demokratie besser.“ Dennoch ist in naher Zukunft  ein weiterer Nackt-Protest geplant. Alles bleibt jedoch bislang geheim. „Auch Journalisten werden erst kurz zuvor eingeweiht."

    In der Ukraine wird die Gruppe mittlerweile von vielen sehr kritisch gesehen. Vor allem Intellektuelle finden, dass der nackte Aufstand meist nur Radau sei. Zum Beispiel Swetlana aus Kiew. Die 28-Jährige arbeitet in der ukrainischen Hauptstadt für ein amerikanisches IT-Unternehmen und sagt unserer Zeitung: „Jedes Mal, wenn Femen demonstriert, wird nur herumgekreischt. Aber wirkliche Argumente? Die fehlen den Frauen."

    Aufmerksamkeit bekämen die Aktivistinnen nur, wenn sie blank ziehen

    Alexandra Schewtschenko weiß, dass Femen in der Ukraine kaum eine Chance gegen die „autoritäre Diktatur“ hat. Aufmerksamkeit bekämen die „Sextremistinnen“ schließlich nur, wenn sie blankziehen.

    Ihr Ziel sei erst dann erreicht, wenn Parlamente – in welchem Land auch immer – über angeprangerte Themen zu diskutieren beginnen. „Das wäre ein großer Fortschritt“, sagt Schewtschenko. Nun hofft sie aber erst einmal, ein neues Visum für Deutschland ausgestellt zu bekommen.

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