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Frankreich: Wie sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron neu erfinden will

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Wie sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron neu erfinden will

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    Redet den Franzosen ins Gewissen – doch ob die Botschaft des Präsidenten Emmanuel Macron bei seinen Landsleuten ankommt, ist alles andere als sicher.
    Redet den Franzosen ins Gewissen – doch ob die Botschaft des Präsidenten Emmanuel Macron bei seinen Landsleuten ankommt, ist alles andere als sicher. Foto: Gao Jing, dpa

    Was hat Emmanuel Macron konkret gemeint mit seiner Ankündigung, die Coronavirus-Krise zwinge alle dazu, sich neu zu erfinden – und „mich selbst zuallererst“? Darüber wurde spekuliert, seit der französische Präsident dies bei einer Fernsehansprache im April ankündigte. Bei einer neuerlichen Rede am Sonntagabend sagte er, eine neue Etappe zum Aufbau einer „starken, ökologischen, souveränen und solidarischen Wirtschaft“ stehe an. Wie er diese im Einzelnen umzusetzen gedenkt, blieb zwar noch unscharf.

    Eines aber zeigte der 42-Jährige: Er resigniert keineswegs angesichts der angespannten sozialen Stimmung im Land, der sich anbahnenden Wirtschaftskrise oder der Kritik am Krisenmanagement in Frankreich, wo fast 30.000 mit dem Coronavirus infizierte Menschen gestorben sind. „Wir brauchen nicht zu erröten angesichts unserer Bilanz“, sagte er in entschlossenem Tonfall. „Zigtausende Leben wurden gerettet und wir können stolz auf unser Land sein.“ Der Kampf gegen die Epidemie sei nicht beendet, aber er freue sich „über diesen ersten Sieg über das Virus“, so Macron, der zu Beginn martialisch von einem „Krieg“ gesprochen hatte.

    Lockerungen in Frankreich: Im Raum Paris öffnen Restaurants wieder

    Seit der allmählichen Lockerung der Ausgangsbeschränkungen am 11. Mai konnte das Virus in Frankreich kontinuierlich zurückgedrängt werden. Außer in den Übersee-Départements Französisch-Guyana und Mayotte dürfen daher ab dem heutigen Montag auch im Großraum Paris wieder die Restaurants und Cafés öffnen und ab 22. Juni müssen alle Schüler außer an Gymnasien wieder obligatorisch in die Schule. Besuche in Alten- und Pflegeheimen werden wieder erlaubt. Größere Menschen-Ansammlungen seien weiterhin noch zu vermeiden, sagte Macron.

    Insgesamt fast 500 Milliarden Euro habe der Staat ausgegeben, um besonders betroffene Wirtschaftsbranchen zu stärken, Kurzarbeit zu fördern und die Ärmsten zu unterstützen. Diese Ausgaben werde man nicht durch Steuererhöhungen finanzieren, so der Präsident – vielmehr sei ein „nachhaltiges Wirtschaftsmodell“ aufzubauen. Außerdem müssten die Franzosen künftig „mehr arbeiten und produzieren, um nicht von anderen abzuhängen“. Hatte Macron seine laufenden Reformprojekte um das Rentensystem und die Arbeitslosenversicherung während der letzten Monate auf Eis gelegt, so ließen diese Ankündigungen vermuten, dass er nicht von seinen Plänen abgehen wird und damit eine neuerliche Konfrontation mit den Gewerkschaften in Kauf nimmt.

    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bleibt angeschlagen

    Die aktuellen Proteste gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt, bei denen am Samstag in Paris erneut mehr als 15.000 Menschen auf die Straße gingen, streifte Macron nur indirekt, indem er versprach, er werde „unerbittlich“ im Umgang mit Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierungen sein. Zugleich sprach er auch den Polizisten seine Unterstützung aus, die ihrerseits lautstark protestierten, seit Innenminister Christophe Castaner den Ton ihnen gegenüber verschärft hatte.

    Nicht zuletzt kündigte Macron an, den Staat dezentraler zu organisieren, denn es könne „nicht immer alles in Paris entschieden werden“. Details hierzu werde er im Juli geben. Dass sich der Präsident erneut ans Volk wendet, möglicherweise auch mit der Ankündigung personeller Veränderungen, wird für den Zeitraum zwischen der zweiten Runde der Kommunalwahlen am 28. Juni und dem französischen Nationalfeiertag am 14. Juli erwartet. Bei der zweiten Wahlrunde, die eigentlich Ende März stattfinden sollte und aufgrund des Coronavirus verschoben wurde, droht Macrons Partei „La République en marche“ (LREM) ein Debakel. Voraussichtlich dürfte sie kein einziges Rathaus einer mittleren oder größeren Stadt und nur eine geringe Zahl von Stadt- und Gemeinderäten erobern.

    Gerade hat LREM durch die Abspaltung mehrerer Abgeordneter die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verloren. Gestern appellierte Macron zwar an das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen, ja an ihren „republikanischen Patriotismus“, um gemeinsam die Krise zu überwinden. Dass sie ihm wieder vertrauen, erscheint jedoch ungewiss.

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