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Frankreich: Wie Emmanuel Macron die Corona-Krise für Alleingänge nutzt

Frankreich

Wie Emmanuel Macron die Corona-Krise für Alleingänge nutzt

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    Er delegiert Entscheidungen nur sehr ungern: Emmanuel Macron.
    Er delegiert Entscheidungen nur sehr ungern: Emmanuel Macron. Foto: Michel Euler, dpa

    Das Ritual fand nun acht Mal in 17 Monaten Corona-Pandemie statt: Der Élysée-Palast kündigt jeweils eine Ansprache des Staatspräsidenten zu den neuen Maßnahmen an. Spätestens dann beginnen in den Medien die Spekulationen darüber, was die Rede enthalten könnte. Zur besten Sendezeit der TV-Stationen erklingt die Marseillaise, Frankreichs Nationalhymne – und der Präsident spricht. Er verkündet, was er entschieden hat: einen Lockdown, dessen Verlängerung oder Lockerungen, je nach Situation. Besprochen wurden die Pläne in einem sehr kleinen Kreis eines „Sicherheits- und Verteidigungsrates“. Manchmal sind nicht einmal Emmanuel Macrons engste Mitarbeiter oder Minister vorher eingeweiht.

    Es ist, als schlüpfe Macron, der in seiner Jugend Laien-Schauspieler war, in verschiedene Rollen. Mal ist er eine Art Kriegsführer, der die „Schlacht gegen das Virus“ eröffnet, mal der verständnisvolle Landesvater, der auf das vernunftbegabte Handeln der Bürgerinnen und Bürger setzt. Einmal hört er auf Wissenschaftler, dann wieder schlägt er deren Ratschläge in den Wind. So entsteht der Eindruck der Unvorhersehbarkeit, ja der Willkür.

    Der Präsident hat in Frankreich umfangreiche Vollmachten

    Die eigenmächtigen Entscheidungen des Staatschefs werden damit gerechtfertigt, dass er direkt gewählt wurde. In Frankreich gilt die Präsidentschaftswahl als eine „Begegnung zwischen einem Mann und dem Volk“ – einer Frau ist eine solche Begegnung bislang nicht gelungen. Die Verfassung sieht eine große Machtfülle für den Staatschef vor und so reiht sich Macron hinter seine Vorgänger ein, die auch schon weitgehend alleine über Militäreinsätze entschieden haben. Das Parlament erhält höchstens eine Nebenrolle ohne nennenswerten Einfluss.

    Im April 2022 muss sich Emmanuel Macron zur Wahl stellen

    Die Coronavirus-Pandemie aber zeigte dem Modell seine Grenzen auf. Zwar fielen wohl keiner Regierung dieser Welt die oftmals weitreichenden Entscheidungen leicht. Auch in Deutschland mit seinem föderalen System ringen die politisch Verantwortlichen um eine einheitliche Linie oder die Frage, ob Regeln wirklich notwendig sind, wenn das Pandemie-Geschehen je nach Bundesland unterschiedlich ausfällt. In Frankreich aber gibt es kein öffentliches Ringen, sondern nur Erlasse. Es dauerte Monate, bis regionale Differenzierungen durchgeführt wurden.

    Macron, so vermeintlich modern er auch auftritt, hat diese Tendenzen verstärkt. Denn der politische Schnellaufsteiger delegiert bei Entscheidungsfindungen wenig und scheint vor allem sich selbst zu vertrauen. Tun das aber auch die Franzosen, wenn ihr Präsident so wechselhaft auftritt? Das zeigt sich im April 2022 bei der nächsten Begegnung mit dem Volk.

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