Kurz vor dem Finale der französischen Präsidentenwahl haben sich die Kandidaten Marine Le Pen und Emmanuel Macron einen Schlagabtausch mit schweren persönlichen Vorwürfen geliefert.
Der sozialliberale Macron kritisierte im TV-Duell, die Rechtspopulistin Le Pen vertrete mit ihrem Abschottungskurs einen "Geist der Niederlage". Le Pen attackierte Macron ihrerseits wegen seiner wirtschaftsfreundlichen Positionen als "Kandidat der wilden Globalisierung".
Emmanuel Macron im Porträt
Emmanuel Macron ist der Senkrechtstarter der französischen Politik. Einige nennen ihn bereits den "französischen Kennedy".
In seinem Lager entfacht der zierlich wirkende Mann Begeisterung. Schon vor der Wahl war von "Macromania" die Rede.
Sein Wahlkampfbuch nannte er schlicht "Révolution".
Erst vor einem Jahr gründete der frühere Wirtschaftsminister seine Bewegung "En Marche!" (Auf dem Weg).
Einen klassischen Parteiapparat hat er bis heute nicht. Er spricht Menschen an, die eine Erneuerung wollen, aber Extreme ablehnen.
Macron führt sein Wahlkampfteam wie ein Start-up-Unternehmen. Er will "neue Gesichter" in die Top-Etage der Macht bringen.
Falls er gewinnt, soll ein erheblicher Teil der Minister seiner Regierung nicht aus der Politik kommen.
Der 39-Jährige ist ein Europafreund. "Ich habe Europa im Herzen", lautet sein Motto.
Das macht ihn zum prominentesten Widersacher der Rechtspopulistin Marine Le Pen, die die Europäische Union bekämpft und in ihrem Land den "neuen Franc" als Währung einführen will.
Macron gab schon vor langer Zeit sein Parteibuch bei den Sozialisten ab. Er positioniert sich "weder rechts noch links".
Im Wahlkampf bekannte er, Außenseiter zu sein. In der Tat wurde Macron noch nie in ein Amt gewählt.
Der ehrgeizige Kandidat war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie...
... Dann holte ihn der sozialistische Präsident François Hollande in den Élyséepalast. 2014 wurde er Wirtschaftsminister.
Macron ist seit 2007 mit der wesentlich älteren Französisch-Lehrerin Brigitte Macron (64) verheiratet, die er seit seiner Schulzeit in Amiens kennt.
Sie organisiert im Wahlkampf und "coacht" ihren Mann. Das ungewöhnliche Paar könnte im Élyséepalast für richtigen Glamour sorgen.
Die Stichwahl am Sonntag gilt als Schicksalsabstimmung für Europa, weil Le Pen ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft Frankreichs anstrebt und im Euro-Land Frankreich wieder eine nationale Währung einführen will. Der Ex-Wirtschaftsminister Macron könnte laut jüngsten Umfragen auf 59 bis 60 Prozent der Stimmen kommen, Le Pen lag zuletzt bei 40 bis 41 Prozent. Das von den Sendern France 2 und TF1 übertragene TV-Duell war das einzige direkte Aufeinandertreffen der beiden Finalisten.
Frankreich-Wahl 2017: Macron und Le Pen machen sich gegenseitig Vorwürfe
Macron bezichtigte Le Pen der Lüge und warf ihr vor, die "echte Erbin" der "Partei der extremen Rechten Frankreichs" zu sein. Le Pen bemüht sich seit Jahren, ihrer Front National eine gemäßigtere Außendarstellung zu verschaffen. Le Pens Versprechen, die Kaufkraft der Franzosen zu stärken, seien nicht finanziert, sagte Macron. "Sie werden entweder die Steuern erhöhen oder die Schulden erhöhen." Die von Le Pen geforderte Absenkung des Rentenalters auf 60 Jahre koste 30 Milliarden Euro: "Das ist nicht finanzierbar."
Marine Le Pen im Porträt
Marine Le Pen bietet einfache Erklärungen für Frankreichs Probleme: Die "massive Einwanderung" sei schuld und die Entmündigung durch "Technokraten" aus Brüssel.
Die Rechtspopulistin hat den Auftritt ihrer Partei modernisiert und damit schon viele gute Wahlergebnisse eingefahren.
Nun steht sie wie 2002 ihr Vater Jean-Marie Le Pen in der Stichwahl um den Élyséepalast.
Statt mit der martialischen Flamme der Front National (FN) wirbt die 48-Jährige mit einer Rose, ohne Dornen und natürlich in Marineblau.
Seit sie den Parteivorsitz 2011 von ihrem Vater übernahm, hat sie der Rechtsaußenpartei eine "Entteufelung" verordnet, ein gemäßigteres Auftreten. Offener Rassismus und Antisemitismus werden geahndet.
Le Pen setzt aber weiter auf Abschottung und radikale Positionen gegen Europäische Union und Einwanderung. In ihren Reden spielt sie geschickt auf der Klaviatur von Frust und Ängsten etwa vor dem Islam.
"Feindbilder sind ein fester Bestandteil in der Rhetorik von Marine Le Pen", schreibt Tanja Kuchenbecker, Autorin eines Buchs über die Rechtspopulistin.
Vorwürfe wie den Verdacht der Scheinbeschäftigung von FN-Mitarbeitern im EU-Parlament konnte die Europaabgeordnete ihren Anhängern bislang als Manöver ihrer Gegner verkaufen.
Marine Le Pen kam 1968 als jüngste Tochter des rechtsextremen Polit-Haudegens Jean-Marie Le Pen zur Welt, der die FN in vier Jahrzehnten von einer Splittergruppe zu einer wichtigen Stimme in Frankreich machte.
Im Alter von acht Jahren wurde sie von einer Bombenexplosion aus dem Schlaf gerissen - ein Anschlag auf ihren Vater.
Die Trennung ihrer Eltern wurde zur Seifenoper, als die Mutter im "Playboy" posierte.
Le Pen studierte Jura und arbeitete erst als Rechtsanwältin, dann führte sie die Rechtsabteilung der Front National. Sie hat drei Kinder.
Ihre zwei Ehen gingen auseinander, heute ist sie mit dem FN-Europaabgeordneten Louis Aliot liiert.
Für die Strategie der "Entteufelung" ließ sie 2015 sogar ihren Vater aus der FN ausschließen, nachdem er die Gaskammern der Nazis erneut als "Detail" der Geschichte bezeichnet hatte.
Eine sogenannte Mikropartei des 88-Jährigen lieh ihr trotzdem Millionen für den Präsidentschaftswahlkampf.
Le Pen hielt dagegen, sie wolle Milliarden bei den Ausgaben für die Europäische Union und für die Einwanderung einsparen. "Ich gebe den Franzosen ihr Geld zurück." Die 48-Jährige warf Macron mehrfach vor, wegen seiner Zeit als Berater des sozialistischen Amtsinhabers François Hollande und als Wirtschaftsminister von 2014 bis 2016 für Fehlentwicklungen mitverantwortlich zu sein. Zudem griff sie Macron wegen seiner Vergangenheit als Investmentbanker an. Ihm fehle der "Nationalgeist".
Im ersten Wahlgang lag Macron vor Le Pen
Macron tritt unabhängig von den traditionellen Parteien an und hatte den ersten Wahlgang am 23. April mit 24 Prozent gewonnen, Le Pen kam auf 21,3 Prozent. Laut einer neuen Studie könnte die erst vor gut einem Jahr gegründete Bewegung Macrons bei der Parlamentswahl im Juni auf Anhieb stärkste Kraft werden. Das Abschneiden seiner Formation "En Marche!" bei der Parlamentswahl gilt als großer Unsicherheitsfaktor für den 39-Jährigen.
Die Untersuchung im Auftrag der Zeitung Les Echos geht davon aus, dass die Bewegung 249 bis 286 Sitze in der Nationalversammlung holen könnte. Das Umfrageinstitut OpinionWay und die Firma SLPV analytics modellierten die Kräfteverhältnisse in 535 der insgesamt 577 Wahlkreise. Sie stützten sich insbesondere auf Umfragen für den ersten Wahlgang der Parlamentswahlen und die Wählerstrukturen bei früheren Abstimmungen. dpa