Schon zwei Stunden vor der Verkündung des Urteils standen Dutzende Journalisten aus aller Welt im zweiten Stock des Justizpalasts im Nordwesten von Paris Schlange, um einen der Plätze im Gerichtssaal zu ergattern. Sie wollten hautnah dabei sein, wenn das Urteil im sogenannten „Prozess der Telefonüberwachungen“ gegen den ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy fällt. Denn es war das erste Mal in der französischen Geschichte, dass ein ehemaliger Staatschef der Korruption angeklagt wurde. Dass man Sarkozy in dem Fall nun für schuldig befunden hat, dürfte dessen politische Karriere zumindest auf Eis legen.
Das Urteil gegen Nicolas Sarkozy schlug ein wie ein Blitz
Das Urteil schlug ein wie ein Blitz. „Ich verurteile Sie zu drei Jahren Gefängnis, davon zwei auf Bewährung“, sagte die Vorsitzende des Gerichts, Christine Mée, und fügte hinzu, dass Sarkozy ein Jahr der Haftstrafe eventuell mit einer elektronischen Fußfessel zu Hause verbringen könnte. Der ehemalige Staatschef zeigte kaum eine Reaktion, starrte nur abwesend vor sich hin. „Die Taten sind besonders schwerwiegend, weil Sie ein ehemaliger Präsident sind und dadurch zuvor der Garant der Justiz waren“, fügte Mée hinzu. Sarkozy könne auch kaum behaupten, nicht gewusst zu haben, was er tat. „Schließlich sind Sie Anwalt und deshalb besonders gut über das französische Recht informiert.“
Nicolas Sarkozy soll versucht haben, einen Richter zu bestechen
In dem Prozess warf man Sarkozy vor, 2014 versucht zu haben, den Richter Gilbert Azibert zu bestechen. Er habe versprochen, diesem zu helfen, einen Posten am höchsten Gericht in Monaco zu bekommen (den er schließlich nicht bekam). Im Gegenzug wollte Sarkozy Hilfe von Azibert in einer anderen Sache – dem Fall des angeblichen Ausnutzens der Schwäche von Liliane Bettencourt, Tochter des Gründers des L’Oréal-Konzerns und reichste Frau der Welt. In diesem Verfahren hatte man die Vorwürfe gegen Sarkozy zwar bereits fallengelassen – der Politiker wollte aber bewirken, dass die Justiz seinen für diesen Fall beschlagnahmten Terminkalender nicht weiter verwenden könne, um sich vor einer Verurteilung in wieder einem anderen Verfahren zu schützen. Aufgeflogen waren Sarkozys mutmaßliche Bestechungsversuche, weil die Justiz den ehemaligen Staatschef und seinen Anwalt Thierry Herzog abhörte, um Informationen für wieder ein drittes Verfahren zu bekommen: Man ermittelt nämlich gegen Sarkozy auch wegen möglicher illegaler Finanzierung seines Präsidentschaftswahlkampf 2007 durch den ehemaligen libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi. Zu dessen Sturz hatte Sarkozy später als Staatschef beigetragen.
Nach der Verkündung des Urteils wartete die Weltpresse vergeblich auf eine Reaktion des 66-Jährigen. Dabei gilt er als herausragender Redner. Der Sohn eines ungarischen Vaters und einer französisch-griechischen Mutter war zwar ein mittelmäßiger Schüler und Student, doch sein politisches Talent erkannten sowohl sein eigenes konservatives Lager als auch Widersacher von links schon früh an. Mit 28 Jahren wurde er Bürgermeister in Neuilly, einem der reichsten Bezirke Frankreichs, später dann Innenminister, Finanzminister und Chef der konservativen Partei UMP. 2007 wählte ihn Frankreich zu seinem Präsidenten. Immer wieder sorgte der schier nie müde werdende „Sarko“ für Aufruhr mit Sprüchen wie „Verzieh dich, du Depp“, als ihm 2008 jemand während der jährlichen Landwirtschaftsmesse in Paris nicht die Hand schütteln wollte.
Das ist Nicolas Sarkozy
Es ist der 28. Januar 1955, als Nicolas Paul Stéphane Sarkozy de Nagy-Bocsa in Paris auf die Welt kommt. Sein Vater kam als Emigrant von Ungarn nach Frankreich. Die Mutter stammt von sephardischer Juden aus Thessaloniki ab.
Sarkozy studierte Öffentliches Recht und Politikwissenschaft und wurde 1981 als Rechtsanwalt zugelassen. 1983 hat man ihn zum Bürgermeister von Neuilly gewählt. Im selben Jahr heiratet er seine erste Frau Marie-Dominique Culioli, mit der er zwei Söhne hat.
1988 wird Sarkozy Abgeordneter für die neogaullistische RPR unter Jacques Chirac. Von 1993 bis 1995 ist er Regierungssprecher und Haushaltsminister. Im anschließenden Präsidentschaftswahlkampf schlägt er sich auf die Seite von Edouard Balladur und agiert gegen Chirac. Dieser konnte die Wahl trotzdem für sich entscheiden.
Im Oktober 1996 heitatet Sarkozy zum zweiten Mal. Aus der Ehe mit Cécilia Ciganer-Albeniz geht ein Sohn hervor.
Als Innenminister nimmt er zwischen 2002 und 2004 den Kampf gegen die Kriminalität auf. Sein Engagement bringt ihm viele Anhänger.
2004 übernimmt er das Wirtschafts- und Finanzministerium, verlässt die Regierung aber bald, um den UMP-Vorsitz zu übernehmen. 2005 kehrt er schließlich als Innenminister ins Kabinett zurück. Er behält das Amt bis 2007. Im Zuge der Pariser Krawalle 2005 beschimpft er die Randalierer als "Gesindel" und verspielt dadurch viele Sympathien unter den jungen Franzosen.
Die Präsidentschaftswahl 2007 konnte er im zweiten Wahlgang für sich entscheiden. Er hat knapp gegen die Demokratin Ségolène Royal gewonnen. Seither hat es zahlreiche Skandale gegeben. Die Räumung einiger Roma-Wohnsiedlungen und die erbarmungslose Abschiebung der Bewohner nach Rumänien und Bulgarien 2010 brachte ihm viel negative Presse.
Im Februar 2008 heiratete Sarkozy zum dritten Mal. Neue First Lady wurde die italienisch-französische Sängerin Carla Bruni, der unter anderem eine Affäre mit der Rolling-Stone-Legende Mick Jagger nachgesagt wird. Die Verbindung hat ein enormes Medienecho provoziert. 2011 hat das Paar eine Tochter bekommen. Sie heißt Giulia.
2012 unterlag Sarkozy bei den Präsidentschaftswahlen seinem sozialistischen Widersacher François Hollande.
Ein Freispruch hätte Sarkozy zumindest symbolisch einen Vorsprung gegeben in den mindestens drei anderen Justizaffären, in die er noch verstrickt ist. Der nächste Prozess läuft in zwei Wochen an: Er soll die Höchstgrenze bei den Ausgaben für den Wahlkampf 2012 überschritten haben. Doch nicht nur der juristische Vorsprung scheint verspielt. Auch ein Comeback Sarkozys bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2022 sollte nun undenkbar sein. Darauf hatten immer noch einige im konservativen Lager gehofft. Zuspruch bekam Sarkozy zumindest von seiner glamourösen Frau. „Wie unsinnig sie sich doch auf dich eingeschossen haben, mein Liebster. Der Kampf geht weiter, die Wahrheit wird ans Licht kommen #Ungerechtigkeit“, schrieb Carla Bruni auf Instagram.
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