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Frankreich: Abschiebung schwer gemacht

Frankreich

Abschiebung schwer gemacht

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    Die Ermordung zweier Frauen in Marseille zu Beginn dieses Monats hat in Frankreich eine neue Debatte über die Abschiebung von Ausländern ohne Aufenthaltsgenehmigung ausgelöst.
    Die Ermordung zweier Frauen in Marseille zu Beginn dieses Monats hat in Frankreich eine neue Debatte über die Abschiebung von Ausländern ohne Aufenthaltsgenehmigung ausgelöst. Foto: Claude Paris, dpa

    Emmanuel Macron gab sich klar und unmissverständlich. „Ich möchte, dass jeder Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung, der eine Straftat begeht, ausgewiesen wird.“ Ganz konkret hatten Journalisten den französischen Präsidenten bei einem Fernsehinterview auf den Fall eines Tunesiers angesprochen, der zu Beginn des Monats zwei junge Frauen am Bahnhof von Marseille getötet hatte.

    Der Mann befand sich seit Jahren ohne legalen Aufenthaltsstatus in Frankreich, verfügte über sieben verschiedene Identitäten, war wiederholt festgenommen sowie verurteilt worden und sogar noch am Tag vor seiner Tat wegen eines Ladendiebstahls in Polizeigewahrsam. Einer Abschiebung war der Tunesier stets entkommen. Der „Islamische Staat“ beanspruchte in der Folge die Bluttat für sich, doch die Ermittler fanden zunächst keine Verbindungen zu der Terrormiliz.

    Der Fall erinnerte an jenen des Tunesiers Mohamed Lahouaiej-Bouhlel, der im Sommer 2016 mit einem Lastwagen über die Strandpromenade von Nizza raste, dabei 86 Menschen tötete und 100 teilweise schwer verletzte. Er befand sich zwar legal im Land, war aber ebenfalls bereits im Vorfeld wiederholt wegen Gewaltakten aufgefallen und wenige Monate vor seiner Gräueltat zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Damals wie auch jetzt wurde in der Folge der Ruf nach einer strikteren Abschiebepraxis laut – die Macron nun eilfertig versprach. Doch so einfach ist dies nicht.

    Jährlich werden im Schnitt zwischen 75000 und 90000 Personen dazu aufgefordert, spätestens innerhalb von 30 Tagen – manchmal auch sofort – Frankreich zu verlassen. Tatsächlich aber kommt es seit längerem nur bei rund 20 Prozent auch tatsächlich zu einer Ausweisung. Einerseits haben die Betroffenen die Möglichkeit, Einspruch einzulegen und können dadurch Zeit gewinnen. Sollten sie zwischenzeitlich heiraten oder ein Kind bekommen, wird ihre Situation neu überprüft.

    Auch kommen Ausländer, die ausgewiesen werden sollen, in den meisten Fällen in ein Zentrum für Abschiebehaft – doch die insgesamt 1900 Plätze in den 24 französischen Zentren erweisen sich seit Jahren als nicht ausreichend. Darüber hinaus, heißt es seitens der französischen Behörden, mangelt es teilweise an der Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern, die ihre straffällig gewordenen Bürger zurücknehmen müssten. Haben die Betroffenen keinen gültigen Reisepass vorzuweisen, ist ein entsprechendes Schriftstück des Konsulates erforderlich, das viele Länder nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Frist zur Verfügung stellen. „Wir haben eine weniger effiziente Organisation als unsere Nachbarn und weniger zufriedenstellende Beziehungen mit den Ursprungsländern“, beschrieb Macron die Defizite seines Landes.

    In einem neuen Asyl- und Ausländergesetz will die Regierung im kommenden Frühjahr deshalb die maximale Haftdauer von 45 auf 90 Tage erweitern. Menschenrechtsorganisationen kritisieren dies: „Die Ausweisungen finden während der ersten Tage der Haft statt und sehr viel seltener nach dem 20. Tag“, heißt es in einem Bericht der Organisation Cimade. Eine Verlängerung der Haftdauer führe zu einem deutlich zu großen Freiheitsentzug, ohne effizient zu sein.

    Ein weiteres Hindernis gründet in einem Gesetz aus dem Jahr 2003, das die sogenannte „Doppelstrafe“ bei bestimmten Straftaten verbietet. Damals hatte es der amtierende Innenminister und spätere französische Präsident Nicolas Sarkozy sogar noch auf Ausländer ausgeweitet, die schon mindestens 20 Jahre in Frankreich leben oder vor ihrem 13. Lebensjahr ins Land kamen – und das, obwohl der Konservative als innenpolitischer Hardliner galt. Nach diesem Prinzip darf ein rechtskräftig verurteilter Ausländer nicht ausgewiesen werden, weil dies eine zweite Strafe darstellen würde. Über die Einhaltung wacht auch der Internationale Gerichtshof für Menschenrechte, der Frankreich schon mehrmals verurteilt hat.

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