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Forschungsprojekt: Kirche stoppt Aufarbeitung von Missbrauchsfällen

Forschungsprojekt

Kirche stoppt Aufarbeitung von Missbrauchsfällen

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    Bischöfe kippen die Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer. Die Opfer sind über den Streit empört.
    Bischöfe kippen die Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer. Die Opfer sind über den Streit empört. Foto: dpa

    Das mit Spannung erwartete Projekt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche ist an einem heftigen Streit zwischen Bischöfen und den beauftragten Wissenschaftlern gescheitert. Der mit der Untersuchung betraute niedersächsische Kriminologe Christian Pfeiffer beklagte Zensur- und Blockadeversuche vor allem der bayerischen Bistümer München-Freising und Regensburg und verkündete das Scheitern des Projekts. Daraufhin kündigte der Diözesenverband das Projekt mit sofortiger Wirkung.

    Bischof Ackermann kündigt Neuauftrag der Studie an

    Ein Auslöser des Streits ist laut Pfeiffer, dass die beiden Bistümer entgegen den Verträgen das Recht fordern, den Inhalt im Rahmen des Projekts entstehender Doktorarbeiten als letzte Instanz zu genehmigen. Pfeiffer lehnte dies als „Zensur“ ab und nannte „solche Regelungen mit der Freiheit wissenschaftlicher Forschung nicht vereinbar“.

    Der Trierer Bischof Stephan Ackermann wies die Zensurvorwürfe zurück und kündigte einen Neuauftrag für die Studie an. „Der Wechsel des Projektpartners, den wir jetzt vollziehen, hat ausschließlich persönliche Gründe im Zerwürfnis mit dem Projektleiter“, sagte Ackermann unserer Zeitung. Der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, kündigte rechtliche Schritte gegen Pfeiffers Zensurvorwurf an. Dem Wissenschaftler sei eine „strafbewehrte Unterlassungserklärung“ zugestellt worden.

    Heftige Kritik von dem Missbrauchsopfern

    Für den Missbrauchsbeauftragten des Augsburger Bistums, Otto Kocherscheidt, kommt das Scheitern nicht überraschend: „Es war im Umlauf, dass sich möglicherweise Diözesen ausgeklinkt haben sollen.“ Ex-Richter Kocherscheidt weist den Zensurvorwurf Pfeiffers zurück: „Als Auftraggeber bin ich nun einmal der, der die Ergebnisse als Erster bekommt. Ich weiß nicht, ob der Vorwurf gerechtfertigt ist, dass da gemauert wird.“

    Heftige Kritik am Verhalten der Kirche kam von Vertretern der Missbrauchsopfer. „Wir hatten zu Professor Pfeiffer als einem der renommiertesten Forscher auf diesem Gebiet großes Vertrauen“, sagte Norbert Denef vom Opferbündnis NetzwerkB unserer Zeitung. „Der Umgang der Kirche mit den Betroffenen ist eine menschliche Katastrophe.“ Er warf der Kirche fehlenden Aufklärungswillen vor. „Seit drei Jahren ist unterm Strich nichts passiert, Politik und Kirche haben komplett versagt“, kritisierte Denef. Er forderte eine Gesetzesreform mit der Aufhebung der Verjährungsfristen, einer Anzeige- und Meldepflicht der Kirche als Arbeitgeber, „damit bei den jetzigen Opfern sofort interveniert wird und die Täter zur Verantwortung gezogen werden“.

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