Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Flüchtlingspolitik: Warum Österreich auf Konfrontation zu Merkel geht

Flüchtlingspolitik

Warum Österreich auf Konfrontation zu Merkel geht

    • |
    SPÖ-Kanzler Werner Faymann: Anführer der Anti-Merkel-Gang.
    SPÖ-Kanzler Werner Faymann: Anführer der Anti-Merkel-Gang. Foto: Hans Punz, dpa

    EU-Gipfel sind Höhepunkte in Werner Faymanns politischem Leben. Dort ist er nicht der vom Koalitionspartner Getriebene, sondern Staatsmann. Und wenn er heute mit den anderen Staats- und Regierungschefs in Brüssel zusammentrifft, hat er die vergangenen Tage bereits genutzt, um sich zu Hause als energisch und zupackend zu präsentieren. Dass dabei ganz nebenbei endlich einer mal den ohnehin nicht beliebten „Piefkes“ Ratschläge erteilt, trägt zu Hause zum Erfolg der neuen Konfliktstrategie bei.

    Faymann: Auch Deutschland braucht bei Flüchtlingen einen Richtwert

    Auch deshalb ist Angela Merkel die Adressatin aller österreichischen Forderungen. Sie müsse sagen, dass Deutschland nicht bereit sei, „unbeschränkt Flüchtlinge aufzunehmen“, fordert der Sozialdemokrat Faymann. „Auch

    Bewegte sich Faymann früher international sehr gern im Schlepptau Merkels, versucht er jetzt, sich als erster Kritiker und Anführer der Anti-Merkel-Gang unter den Regierungschefs zu profilieren. Auch in der Flüchtlingsfrage drehte er seine eigene Position um 180 Grad: Von der Willkommenskultur über den „Zaun mit Seitentürln“ und Obergrenzen hat sich der österreichische Bundeskanzler hin zu geschlossenen Grenzen bewegt. Er vollzog damit nur das, was die Mehrheit in der Bevölkerung denkt. Österreich will geordnete Verteilung von Flüchtlingen

    Österreichs Kurs war maßgeblich für die Sperrung der Balkanroute

    „Wer hätte das noch vor ein paar Tagen gedacht: unser Kanzler ein Mann mit Leadership-Qualitäten“, lobte bissig das Boulevardblatt Kronen-Zeitung. Die konservative Presse bescheinigt dem SPÖ-Mann, er habe „an Statur gewonnen“. Zum Ärger der konservativen Volkspartei geht fast unter, dass es ihre ÖVP-Minister Johanna Mikl-Leitner und Sebastian Kurz waren, die für Österreichs Kurswechsel zur Sperre der Balkanroute gesorgt haben. Österreich bietet Mazedonien Hilfen bei Grenzsicherung an

    Der Druck der rechtspopulistischen FPÖ, die inzwischen in Umfragen bei 33 Prozent liegt, brachte sogar den bislang mächtigsten Mann in der österreichischen Sozialdemokratie, den Wiener Bürgermeister Michael Häupl, dazu, seine Pro-Asyl-Rhetorik zu ändern. Häupl hat offen erklärt, warum. Er befürchtet, die SPÖ könnte aus der Regierung gedrängt werden. Denn eine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ ist längst nicht mehr ausgeschlossen. Strittig ist nur, ob die ÖVP einen FPÖ-Kanzler Heinz-Christian Strache mitwählen würde.

    Merkel und Faymann: Keine Spur mehr von Freundschaft?

    Auch deshalb hat sich Faymann von Merkel emanzipiert und in der EU ganz andere Verbündete gesucht. Angeblich gehen die beiden Bundeskanzler mittlerweile sehr unfreundlich miteinander um. Seine öffentlichen Attacken gegen Merkel und die demonstrative Nähe zu CSU-Chef Seehofer trüben die Beziehung. Für Faymann zahlt es sich aus: Seine Popularitätswerte in Umfragen steigen deutlich. Auch die Stimmung der Österreicher gegenüber den Flüchtlingen entspannt sich, seit die Regierung den Eindruck vermittelt, in dieser Frage an einem Strang zu ziehen. Eine FPÖ-Kundgebung gegen ein Wiener Heim für 750 Flüchtlinge fand diese Woche mit 1100 Anhängern weniger Zulauf als erwartet.

    In knapp sechs Wochen wählen die Österreicher ihren Bundespräsidenten: Auf den Plakaten des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer steht „Aufstehen für Österreich – deine Heimat braucht dich jetzt“. Die Flüchtlinge werden im Wahlkampf eine große Rolle spielen, auch wenn noch nicht einmal alle Kandidaten feststehen. Der frühere ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel schrieb jüngst resigniert: „Wo ist ein George Clooney, der uns tief in die Augen blickend ,Europe, what else?‘ zuraunt?“ Doch glühende Europa-Anhänger wie er scheinen derzeit in Österreich eine seltene Minderheit.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden