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Flüchtlingspakt: Angela Merkel steht heute in der Türkei unter Druck

Flüchtlingspakt

Angela Merkel steht heute in der Türkei unter Druck

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    Kanzlerin Merkel steht bei ihrem Besuch in Istanbul unter Druck.
    Kanzlerin Merkel steht bei ihrem Besuch in Istanbul unter Druck. Foto: Sedat Suna/Archiv (dpa)

    Es ist ihr fünfter Besuch in der Türkei innerhalb von sieben Monaten – und es könnte ihr bislang schwierigster werden. Der Koalitionspartner verlangt, dass sie heute in Istanbul Klartext mit Präsident Recep Tayyip Erdogan redet, in der Union fordern die ersten Abgeordneten den Abbruch der Verhandlungen über einen EU-Beitritt der

    Erdogan will auf EU-Forderungen nicht eingehen

    Der Beschluss des türkischen Parlamentes, gut einem Viertel der Abgeordneten die Immunität abzuerkennen, ist nur einer von vielen Konflikten, die im Moment wie ein Schatten auf dem deutsch-türkischen Verhältnis liegen. Auch sie erfülle Erdogans Umgang mit der kurdischen Opposition „mit großer Sorge“, räumt Angela Merkel zwar ein – verbittet sich aber gleichzeitig weitere Kritik an ihrem Kurs der Kooperation.

     „Was mich irritiert, ist, dass ich manchmal fast so etwas wie Freude am Scheitern beobachte“, betont sie, ohne Namen zu nennen, spricht von „wechselseitigen Abhängigkeiten“ und von der Notwendigkeit, die eigenen Interessen durchzusetzen. Der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei ist nach dieser Logik ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, von dem jede Seite etwas haben soll: die Türkei sechs Milliarden Euro und Deutschland deutlich weniger Flüchtlinge.

    Eigentlich ist sie gestern ja nach Istanbul geflogen, um dort an einer Uno-Konferenz teilzunehmen, dem sogenannten Humanitätsgipfel. Innenpolitisch brisanter allerdings ist für die Kanzlerin ihr Treffen mit Erdogan heute Nachmittag. Der türkische Präsident weigert sich bisher nicht nur, eine der wichtigsten Bedingungen für die umstrittene Visafreiheit zu erfüllen und seine Anti-Terror-Gesetze zu reformieren, er will seiner Besucherin vermutlich auch die geplante Resolution ausreden, mit der der Bundestag Anfang Juni die Massaker der Türken an den Armeniern 1915 als Völkermord verurteilen will.

    Erdogan ist in der Visa-Frage zu keinen Zugeständnissen bereit

    Dazu Erdogans rigides Vorgehen gegen Journalisten, kurdische Aktivisten und andere Oppositionelle: Wenn jemand so auf Repression und Ausgrenzung setze, warnt der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann, „darf Deutschland dazu nicht schweigen“. Sein Grünen-Kollege Anton Hofreiter drückt es in der Bild am Sonntag sogar noch etwas drastischer aus: „Merkel darf vor Erdogan nicht einknicken, nur damit er ihr und Europa weiter die Flüchtlinge vom Hals hält.“

    Erdogan sei dabei, die Türkei in ein „auf ihn zugeschnittenes, autokratisches Herrschaftssystem“ umzuwandeln, kritisiert auch der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. So einig ist die Union sich selten mit der Opposition.

    Die Gefahr, dass das Flüchtlingsabkommen wieder platzt, ist jedenfalls noch nicht gebannt – entsprechend groß ist auch der Druck, der auf der Kanzlerin lastet. Seit einigen Wochen setzen zwar deutlich weniger syrische Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland über, von denen die Bundesrepublik im Rahmen des neuen Abkommens bisher exakt 157 aufgenommen hat. Im Streit um die Visa-Freiheit für türkische Staatsbürger, die in die Europäische Union einreisen wollen, ist Erdogan aber offenbar zu keinen Zugeständnissen mehr bereit.

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