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Flüchtlingslager: Die Hölle auf der Ferieninsel Lesbos

Flüchtlingslager

Die Hölle auf der Ferieninsel Lesbos

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    Container, Zelte, Plastikplanen: So schaut es in dem umstrittenen Camp auf der griechischen Ferieninsel Lesbos aus.
    Container, Zelte, Plastikplanen: So schaut es in dem umstrittenen Camp auf der griechischen Ferieninsel Lesbos aus. Foto: Simon Jakob

    Das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos ist die Hölle, sagt Simon Jakob. Der Augsburger bereist als Friedensaktivist und Vorsitzender des Zentralrats Orientalischer Christen (ZOC) seit 2015 den Nahen Osten. Für eigene Recherchen, aber auch für Fernsehteams von ARD und ZDF. Journalisten und Sicherheitsberater nutzen seine Kontakte zu kurdischen, jesidischen und syrischen Kämpfern der Freien Syrischen Armee sowie zu im Irak stationierten Bundeswehrvertretern.

    Griechisches Ministerium stellt Ultimatum für das Lager

    Für das Projekt „Peacemaker“ des ZOC war er im August auf dem Balkan und in Griechenland. Das Lager Moria auf der Ferieninsel Lesbos ist eines der umstrittensten griechischen Camps. Nur 35 Kilometer vor der türkischen Küste gelegen, ist die Insel seit Jahren einer der Hotspots für Flüchtlinge, die in Schlauchbooten hier anlanden.

    Christiana Kalogirou, Gouverneurin der Nordägäischen Region, setzte dem griechischen Ministerium für Migrationspolitik jetzt ein Ultimatum: Wenn die katastrophalen Missstände im heillos überfüllten Militärcamp Moria nicht bis Mitte Oktober beseitigt würden, werde sie das Lager auflösen lassen. Wie ihr Inspektoren der kommunalen Gesundheitsbehörden auf Lesbos berichtet hatten, seien die Zustände für Mensch und Natur unhaltbar.

    Simon Jakob: "So eine Kloake habe ich noch nie gesehen“

    Simon Jakobs Aufnahmen bestätigen das. „Es gibt ein paar Container für 2000 Menschen. Der Rest haust in Zelten oder unter zusammengeknoteten Plastikplanen innerhalb und außerhalb des Lagers. Ich kenne Lager in Syrien und Irak. Aber so eine Kloake habe ich noch nie gesehen“, erklärt er nach seiner Rückkehr in Augsburg.

    Bei seinen Recherchen und Gesprächen mit Moria-Bewohnern machte er jedoch noch andere Beobachtungen. In von ihm aufgezeichneten Interviews, die der Redaktion vorliegen, berichten ihm Kurden, Syrer und Jesiden, das Lager werde von kriminellen Flüchtlingen kontrolliert, die im IS-Duktus gezielt kurdische und jesidische Flüchtlinge terrorisieren, kidnappen und foltern.

    Ein 19-jähriger Jeside erzählt unter Tränen, dass er von den Kriminellen in den Sanitäranlagen gefoltert worden und ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt sei. Selbst ernannte Emire (Befehlshaber) setzten eigenmächtig Scharia-Gerichte ein, verhängten Körperstrafen und skandierten dazu „allahu akbar“. Die aufgesprühten Code-Namen wie „Abu Aziz“ auf Hauswänden oder „Abu ´Ud Ibn al-Furat“ (Vater von ´Ud, Sohn des Euphrat) auf der kleinen Militärkirche dienen der internen Identifikation und Einschüchterung der Minderheiten unter den 8000 Lagerbewohnern.

    Jakob: Man darf Griechenland nicht alleinlassen

    Der Syrer Rafat engagiert sich seit zwei Jahren für die Flüchtlinge in Moria. Er selbst floh schon 2013 aus Syrien. Im „House for Humanity“ sorgten er und weitere Ehrenamtliche für Kleidung, Essen und Beschäftigung. Der Zufluchtsort ist inzwischen geschlossen. Für Jakob übersetzte al-Hamoud die Folterbeschreibungen und Vorwürfe der jungen Jesiden und Kurden ins Englische. Doch auch er selbst wurde bereits – wie er auf Anfrage bestätigt – von Männern, die er als IS-Kämpfer bezeichnet, mit Messern angegriffen. „Ich muss sehr aufpassen, wen ich hier unterstütze“, erklärt der 22-Jährige.

    Vergangene Woche begann die Polizei, etwa 400 Moria-Flüchtlinge nach Skaramagas bei Athen zu transportieren. Das Lager ist Griechenlands größtes Camp und wurde 2016 für 3000 Flüchtlinge errichtet. Simon Jakob, der in Augsburg aufwuchs, jedoch in einem christlichen Dorf nahe der syrisch-türkischen Grenze geboren wurde, warnt davor, Griechenland mit den Flüchtlingen alleinezulassen: „Diese Lager sind Brutstätten. Hochgefährlich. Ohne exakte Recherchen, Registrierung und Kontrollen werden sich die Emire, Kriminellen und Terroristen aus Moria nach Athen und nach Deutschland absetzen.“

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