Die Flüchtlingskrise polarisiert die Menschen in Deutschland noch stärker als die Griechenland-Rettung. Die einen veranstalten Stadtspaziergänge für Flüchtlinge, die anderen wollen niemanden mehr hineinlassen ins Land. Wer das Grundrecht auf Asyl infrage stellt, wendet sich gern den Protestparteien am rechten Rand zu. Die meisten Asyl-Gegner landen im Moment bei der Alternative für Deutschland (AfD).
In einigen Bundesländern kann auch die rechtsextreme NPD aus der Krise Honig saugen. In Sachsen wäre sie nach einer Umfrage, die der MDR veröffentlicht hatte, im September wieder über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen, wenn Landtagswahl gewesen wäre. Auch für Alfa, die neue Partei des im Juli ausgeschiedenen AfD-Gründers Bernd Lucke, fällt ein bisschen etwas ab.
Doch niemand schlägt so viel Kapital aus den Berichten über unregistrierte Flüchtlinge und überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen wie die AfD. Die Partei, die im Juli nach der Abspaltung des liberal-konservativen Lucke-Flügels noch bei drei Prozent herumgekrebste, würde - wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre - nach dem aktuellen Wahltrend von Forsa sieben Prozent der Stimmen erhalten. Auch die Zahl der Parteimitglieder wächst seit zwei Monaten stetig an.
Weshalb die AfD, die seit Luckes Abgang von Frauke Petry geleitet wird, so viel Zulauf erhält, hat das Meinungsforschungsinstitut für den Wahltrend von "Stern" und RTL zwar nicht eruiert. Doch bei der AfD ist man sich sicher: Das liegt an der großen Zahl von Flüchtlingen, die seit August nach Deutschland gekommen sind. "Alleine im September haben wir mehr als 4000 Emails zum Thema Asyl erhalten", berichtet AfD-Sprecher Christian Lüth. Nur ein Bruchteil der Absender seien AfD-Mitglieder gewesen.
Die Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) hat zwar ebenfalls Vorschläge für eine Neuorganisation von Einwanderung und Asyl vorgelegt. Sie setzt dabei vor allem auf legale Fluchtwege und Abschiebungen - möglichst schon an den EU-Außengrenzen. Doch als neue Kleinpartei generiert die Lucke-Truppe natürlich nicht so viel Aufmerksamkeit wie die AfD, die über Geld und eine funktionierende Parteistruktur verfügt. Außerdem geht das Papier von Alfa vielen Menschen, bei denen die Abwehrhaltung gegenüber Flüchtlingen eher aus dem Bauch kommt, womöglich nicht weit genug. Sie fühlen sich eher von der "Das-Boot-ist-voll"-Rhetorik der AfD angezogen.
Was der AfD nach Ansicht von Forsa auch hilft, ist die Kritik des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) an der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Forsa-Chef Manfred Güllner sagt: "Die Attacken des Ministerpräsidenten Horst Seehofer gegen die Kanzlerin treiben Wähler am rechten Rand der CSU in hohem Maße der AfD zu." Damit bestätige sich die alte Erfahrung, "dass man mit rechten Themen immer das radikalere Original - in diesem Fall die AfD - stützt und das eigene Lager schwächt". In Bayern liegt die AfD im Moment laut Forsa bei neun Prozent. In den östlichen Bundesländern käme sie sogar auf durchschnittlich zwölf Prozent.
Innerhalb von Petrys Partei profiliert sich beim Asyl-Thema momentan besonders der rechtsnationale Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion in Thüringen, Björn Höcke. Nachdem Petry erst skeptisch war, hat sie die Einladung zu der von Höcke inzwischen regelmäßig veranstalteten "Mittwochsdemo gegen Asylmissbrauch" in Erfurt jetzt angenommen. Mit von der Partie ist auch der Brandenburger AfD-Landeschef Alexander Gauland. Der frühere CDU-Mann sagt, es sei gut, dass gegen den Versuch demonstriert werde, "dass in Deutschland Asylpolitik auf dem Rücken von Deutschen und Asylbewerbern gemacht wird - denn es steht jetzt schon fest: Wir schaffen es nicht". dpa