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Flüchtlingskrise: So reagiert die Politik auf Merkels Aussagen bei "Anne Will"

Flüchtlingskrise

So reagiert die Politik auf Merkels Aussagen bei "Anne Will"

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    Angela Merkel verteidigte ihre Flüchtlingspolitik in der Talkshow "Anne Will".
    Angela Merkel verteidigte ihre Flüchtlingspolitik in der Talkshow "Anne Will". Foto: Michael Kappeler (dpa)

    Angela Merkels Auftritt in der Talkshow "Anne Will" und ihre Offensive in Sachen Flüchtlingspolitik bleibt auch in der Politik nicht unkommentiert. Die Kanzlerin hatte am Mittwochabend in der ARD-Talkshow deutlich gemacht, dass sie an ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik festhalten will. "Wir schaffen das, da bin ich ganz fest davon überzeugt", bekräftigte die CDU-Vorsitzende. Die Deutschen hätten die besten Voraussetzungen, diese Krise zu bewältigen. Es gebe keine einfachen Lösungen, und es sei nun mal nicht möglich, die Grenze zu schließen. "Es gibt den Aufnahmestopp nicht.", so Merkel.

    Unterstützung erhält die Kanzlerin für diesen Kurs von Politikern der CDU und Teilen der SPD, bei CSU und anderen

    SPD-Chef Gabriel unterstützt Merkel

    SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstützt den Kurs der Bundeskanzlerin. "Ich glaube, dass die Linie der Kanzlerin, den Menschen nichts vormachen zu dürfen, richtig ist", sagte der Vizekanzler am Donnerstag in Wolfsburg am Rande eines Treffens mit dem VW-Weltkonzernbetriebsrat.

    "Wir haben in Europa keine Zugbrücke, die wir hochziehen können", sagte Gabriel. "Die Menschen kommen auch nicht, weil Frau Merkel ein paar Selfies veröffentlicht hat. Sie kommen, weil die Lage in Syrien immer dramatischer wird, weil die Weltgemeinschaft nicht geholfen hat." Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bemühe sich darum, angesichts der Flüchtlingskrise mit der Türkei, dem Libanon und Jordanien Verabredungen zu treffen. 

    Gabriel sagte, solange in Syrien Bomben fielen, werde es Kriegsflüchtlinge geben. Es sei eine "große Sauerei", dass der UN-Sicherheitsrat nichts unternehme. "Wir müssen zeigen, dass die Weltgemeinschaft das Leben von Menschen schützen will und nicht nur versucht, dass einzelne Staaten ihre eigenen Interessen durchsetzen auf dem Rücken der Flüchtlinge."

    Großteil der Bundesländer steht ebenfalls hinter dem Flüchtlingskurs der Kanzlerin

    Auch der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Torsten Albig (SPD) unterstützt Merkels Kurs. Zu ihrem Auftritt in der Talkshow "Anne Will" sagte Albig: "Alles, was sie gestern gesagt hat, ist richtig und kann nur unterstützt werden. Wir schaffen das auch (in Schleswig-Holstein)." Die Kanzlerin " hat einen Plan und der ist auch gut".

    Auch in der CDU gibt es weiterhin Unterstützung für die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) stützte Merkel. Es sei nicht richtig, permanent in Alarmismus zu verfallen. "Das ist eine historische Herausforderung", sagte Bouffier in Bremen "Eins ist doch klar, dass wir das schaffen. Eins ist auch klar, ich würde unsere Möglichkeiten so beschreiben: Wir sind unendlich hilfswillig, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt." Dazwischen müsse eine vernünftige Lösung gefunden werden.

    Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) mahnte mehr Finanzmittel vom Bund an. "Das reicht natürlich überhaupt nicht", sagte er. Das Ende der Belastbarkeit sei jeden Tag erreicht, aber dadurch, dass man es täglich wiederhole, werde es nicht besser. Notwendig sei eine Entbürokratisierung. "Wenn der Satz von Frau Merkel "Wir schaffen das" gilt, dann müssen wir jetzt schneller handeln, damit wir es auch wirklich schaffen." 

    Joachim Herrmann (CSU) besteht auf Dublin-Regelung

    Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) erklärte jedoch, die Belastungsfähigkeit der Länder und Kommunen sei erreicht. Kritik kommt vor allem von der bayerischen Schwesterpartei CSU. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) besteht auf der sogenannten Dublin-Regelung, nach der Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten in Deutschland keinen Anspruch auf politisches Asyl haben. Im Südwestrundfunk (SWR) kritisierte der CSU-Politiker am Donnerstag Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die am Mittwoch im EU-Parlament die Dublin-Regel als nicht mehr tragfähig bezeichnet hatte.   

    Herrmann sagt, wenn die Regel nicht mehr funktioniere, müsse das Grundgesetz den Ausschlag geben. Dort sei seit 1993 festgehalten, dass Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten in Deutschland keinen Anspruch auf politisches Asyl hätten.

    Bayern werde das beim Bund zur Sprache bringen. An der Grenze zu Österreich kämen Tag für Tag bis zu 7000 Flüchtlinge an. Wer das auf 365 Tage hochrechne, komme auf bis zu zweieinhalb Millionen Menschen. Das sei beim besten Willen nicht zu verkraften. "Uns fragt an der österreichischen Grenze zur Zeit auch keiner, ob wir zahlenmäßig darauf vorbereitet sind", sagte Herrmann.  

    Merkels Auftritt bei "Anne Will": Kein Kommentar von CSU-Spitze

    Zum Auftritt von Merkel in der ARD-Sendung "Anne Will" wollte sich die CSU-Spitze am Donnerstag zunächst nicht äußern. Innenminister Thomas de Maizière fordert hingegen mehr Rückendeckung von der CSU für Merkel. In dieser Frage sei "mehr Geschlossenheit" nötig, sagte de Maizière den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagsausgaben). Die Distanzierung gerade des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer von der Kanzlerin sei "nicht schön", kritisierte der Minister.

    Der Minister verteidigte Merkel gegen Kritik aus den eigenen Reihen; innerparteiliche Kritiker werfen der Kanzlerin vor, eine nicht länger verkraftbare Politik der offenen Tür für Flüchtlinge zu verfolgen. Diese Beschreibung von Merkels Politik sei falsch, sagte de Maizière. "Die Bundeskanzlerin ist eine Frau von Maß und Mitte. Sie denkt sehr international und kennt die Wirkung ihrer Worte."

    Merkels wichtigste Aussagen bei "Anne Will"

    ... auf die Frage, ob die Deutschen die Flüchtlingskrise bewältigen können: "Man kann mit Willen sehr, sehr viel schaffen."

    ... ob es einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge geben müsse: "Wie soll das funktionieren? Sie können die Grenze nicht schließen. (...) Es gibt den Aufnahmestopp nicht."

    ... wie lange die Flüchtlingskrise andauern könnte: " Es hat keinen Sinn, etwas zu versprechen, was ich nicht halten kann."

    ... ob sie die Kritik des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, CSU, nervt: "Nerven, das ist keine Kategorie."

    ... zur Kritik Seehofers, in Berlin gebe es keinen Plan zur Lösung der Flüchtlingskrise: "Ja, ich habe einen Plan."

    ... zur Kritik an dem Selfie mit einem Asylbewerber in einem Flüchtlingsheim: "Bei Selfies ist die Distanz etwas weniger als bei normalen Fotos. Das hat ein Selfie so an sich."

    ... zu Spekulationen, sie könne am Freitag den Friedensnobelpreis erhalten: "Die Diskussion bedrückt mich fast. Sie können mir glauben, dass ich beschäftigt bin."

    ... ob erst ihre Selfies mit Flüchtlingen viele Menschen dazu gebracht hätten, nach Deutschland zu kommen: "Glauben Sie, dass Flüchtlinge ihr Land verlassen wegen eines Selfies mit der Kanzlerin."

    ... ob sie de Maizière entlassen würde: "Natürlich nicht. Ich brauche ihn dringender denn je."

    Yasmin Fahimi (SPD): Geschwindigkeit des Zuzugs muss geringer werden

    Ganz anders sieht das SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Sie wirft der CDU-Chefin vor, keine ausreichende Antwort auf die Herausforderungen der Krise zu haben. "Angela Merkel steht nicht dafür, dass sie ausgereifte Gesellschaftskonzepte auf den Tisch legt, sondern dafür, kurzfristig zu agieren und auf Sicht zu fahren", sagte Fahimi der Deutschen Presse-Agentur.

    Mit Blick auf die CSU-Position und die Willkommensgeste der Kanzlerin meinte die SPD-Politikerin, die Union erzeuge gerade "eine politische Bipolarität, wie sie extremer kaum sein könnte". Die Union sei zerrissen. Aus Sicht der SPD müsse der Zustrom an Migranten zumindest in der Geschwindigkeit reduziert werden. "Aber das heißt doch noch lange nicht, dass wir über absolute Grenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen reden."  AZ/dpa/afp

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