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Flüchtlingskrise: Papst: Jede Pfarrei soll mindestens eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen

Flüchtlingskrise

Papst: Jede Pfarrei soll mindestens eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen

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    Papst Franziskus will, dass die Kirche mehr für Flüchtlinge tut.
    Papst Franziskus will, dass die Kirche mehr für Flüchtlinge tut. Foto: Ettore Ferrari (dpa)

    Der Aufruf von Papst Franziskus ist außergewöhnlich. Schon in frühen Zivilisationen fanden Flüchtende in Tempeln oder Heiligtümern Schutz vor Verfolgung. In den vergangenen Jahren kam das Kiichenasyl dem Widerstand einiger besonders gewissenhafter Christen gegen vermeintlich kaltherzige Bürokraten gleich, die Asylsuchende abschieben wollten. 297 Fälle von Kirchenasyl zur Verhinderung von Abschiebungen sind in Deutschland registriert. Der Aufruf von

    Bisher hat der Vatikan vor allem mit Worten geholfen

    Bei dieser grenzübergreifenden Aktion handelt es sich in erster Linie nicht um die Verhinderung drohender Abschiebungen. Die rechtliche Situation im Hinblick auf die Regelung, dass Asylsuchende nur in den Staaten Schutz beantragen können, in denen sie erstmals die EU betreten haben, ist nach den massenhaften Einreisen nach Deutschland und Österreich fließend. Der Papst hat mit diesem Aufruf indirekt auch auf eine immer wieder geäußerte Kritik reagiert: Aus dem Vatikan kämen bekanntlich viele Mahnungen, bemängelte etwa der Chef der italienischen Rechtspartei Lega Nord, Matteo Salvini. Flüchtlinge hätte der Kirchenstaat selbst allerdings keinen einzigen aufgenommen.

    Bislang rechtfertigte sich der Vatikan mit seiner Zwergengröße (44 Hektar Staatsgebiet) und den von ihm gesteuerten weltweiten Aktionen im Kampf gegen Hunger und Elend. Franziskus kündigte an, im Namen der beiden Kirchen auf Vatikanboden, Sankt Peter und Sankt Anna, würden nun je eine Flüchtlingsfamilie in Wohnungen der Vatikanstadt untergebracht. Im Vergleich zu den Mitteln der katholischen Kirche, die über 20 Prozent des Immobilienbesitzes in ganz Italien mit einem Wert von mindestens 1000 Milliarden Euro verfügen soll, ist das freilich nur ein symbolischer Dienst. Viele Klöster, Seminare und Ordenshäuser stehen überdies leer.

    Untätig war die Kirche aber auch bislang nicht. In einigen Teilen der Welt hat sie eine führende Rolle bei der Unterstützung von Migranten. Auch in Deutschland oder Italien gibt es längst viele etablierte kirchliche Hilfseinrichtungen oder spontane Projekte. So stellte das Erzbistum von Genua jetzt 400 Flüchtlingen leer stehende Räume der Bistumsverwaltung zur Verfügung, im sizilianischen Syrakus beherbergte eine Pfarrei 1000 Asylbewerber.

    Die systematische Aufnahme von Flüchtlingsfamilien durch katholische Institutionen infolge des Papst-Aufrufes würde diese Dimension gleichwohl sprengen. Allein 130.000 katholische Kirchengemeinden gibt es in den EU-Staaten, käme dort jeweils eine vierköpfige Familie unter, wäre etwa eine halbe Million Menschen versorgt. Die viel beschworenen Worte von Barmherzigkeit und Nächstenliebe würden so tatkräftig untermalt.

    Dürfen Kirchengemeinden überhaupt Asyl gewähren?

    Ob sich die Forderung des Papstes auch verwirklichen lässt, bleibt fraglich. Schon jetzt meldeten Kirchenvertreter erste Zweifel bürokratischer Art an. Angesichts der strengen Rechtslage in Ungarn zeigte sich auch der Erzbischof von Esztergom-Budapest, Kardinal Péter Erdö, skeptisch. Über die Aufnahme von Asylsuchenden durch Pfarrgemeinden sagte er: „Es ist verboten. Wenn sie es dennoch täten, wären sie Menschenschlepper.“

    Auch interne Widerstände sind nicht zu unterschätzen. Will man Monsignor Raffaele Nogaro, dem emeritierten Bischof von Caserta, Glauben schenken, dann ist das größte Hindernis die Kirche selbst. Er behauptet, die katholische Kirche habe sich in „wohlhabender Bequemlichkeit“ eingerichtet und sei aus dieser Lethargie nur schwer zu erwecken.

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