Der frühere Präsident des NRW-Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams, hat die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert. Bertrams warf ihr im Kölner Stadt-Anzeiger eine Überschreitung der Kompetenzen und möglichen Bruch der Verfassung vor. "Im Alleingang hat sie Hunderttausende Flüchtlinge ins Land gelassen. Das war zwar sehr mitfühlend, geschah aber ohne erkennbaren Plan", so der ehemalige Verfassungsrichter.
Merkels Vorgehen werfe die Frage auf, ob sie dazu legitimiert gewesen sei: "In unserer repräsentativen Demokratie liegen alle wesentlichen Entscheidungen - gerade auch solche mit Auswirkung auf das Budget - in den Händen der vom Volk gewählten Abgeordneten." Bertrams verwies auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, die es ohne Zustimmung des Parlaments nicht geben dürfe.
Bertrams bezeichnet Merkels Alleingang als Selbstermächtigung
"Kann also schon die Entsendung einiger hundert Soldaten nach Mali nur mit Zustimmung des Bundestags erfolgen, dann ist diese erst recht erforderlich, wenn es um die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge geht", so der nordrhein-westfälische Ex-Verfassungsrichter. "Merkels Alleingang war deshalb ein Akt der Selbstermächtigung", betonte er und sprach von einer "selbstherrlichen Kanzler-Demokratie".
Bertrams stand von 1994 bis 2013 an der Spitze des NRW-Verfassungsgerichtshofs in Münster. 2012 wählte ihn die Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen zum nebenamtlichen Mitglied der Kirchenleitung. kna