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Flüchtlings-Tragödie: Der Schmerz von Aylans Vaters

Flüchtlings-Tragödie

Der Schmerz von Aylans Vaters

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    Aylans Vater wollte mit seiner Familie über Kos nach Deutschland fliehen. Nun muss er sie in seiner Heimat Kobane beerdigen.
    Aylans Vater wollte mit seiner Familie über Kos nach Deutschland fliehen. Nun muss er sie in seiner Heimat Kobane beerdigen. Foto: Anha, afp

    Aylans Vater Abdullah Kurdi wollte der Hölle in Syrien entkommen und mit seiner Familie nach Deutschland fliehen. Doch am Freitag kehrte der 40-Jährige in seine Heimat zurück – mit den Särgen seiner Kinder Aylan und Galip und seiner Frau Rihana. Aylan, der ertrunkene dreijährige Junge, dessen Foto um die Welt ging, wurde neben seinem Bruder und seiner Mutter in der nordsyrischen Stadt Kobane beigesetzt. Vater Abdullah ist ein gebrochener Mann. Er will in

    Nach dem Freitagsgebet wurden die drei Särge auf dem Friedhof von Kobane neben den frisch ausgehobenen Gräbern aufgestellt. Verwandte nahmen die in weiße Tücher gehüllten Kinderleichen aus ihren Särgen, um sie nach islamischer Sitte ins Grab zu legen. Politiker aus der Türkei und aus dem nordsyrischen Kurdengebiet gaben ihnen das letzte Geleit.

    Die Familie von Aylan wollte über Kos nach Deutschland

    Das Schicksal der Familie Kurdi, die in der Nacht zum Mittwoch bei Bodrum an der Ägäis ein Schlauchboot bestieg, das sie zur griechischen Insel Kos bringen sollte, ist durch das Foto von Aylan zum Symbol des Flüchtlingselends an Europas Grenzen geworden. Vor einem Jahr floh Abdullah Kurdi mit seiner Frau und seinen Söhnen aus Kobane, das damals von der Terrormiliz Islamischer Staat belagert wurde, über die Grenze in die Türkei. Zwölf Verwandte seien bei den Kämpfen gegen den IS umgekommen, sagte Abdullahs Schwiegervater Seho Sen der türkischen Zeitung Radikal.

    In der Türkei wollten die Kurdis nur vorübergehend bleiben, doch ein Asylantrag der Familie in Kanada wurde abgelehnt, weshalb sich Abdullah für die gefährliche Bootsfahrt nach Griechenland entschied. Das eigentliche Ziel sei Deutschland gewesen, sagte Seho Sen: „Vor drei Monaten sagte meine Tochter mir, dass sie nach Deutschland wollten.“ Die Familie habe Goldschmuck versetzt, um das Geld für Schleuser auftreiben zu können. Nur wenige Stunden vor der verhängnisvollen Fahrt habe er mit Rihana telefoniert und sie angefleht, nach Kobane zurückzukehren.

    Aylans Mutter konnte nicht schwimmen und ertrank ebenfalls

    Seenotrettung im Mittelmeer

    Als Reaktion auf die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer hatte Italiens Regierung 2013 das Seenotrettungsprogramm „Mare Nostrum“ ins Leben gerufen. Es hat laut Rom mehr als 100.000 Menschen vor dem Ertrinken bewahrt. Italien drang angesichts der Flüchtlingszahlen darauf, dass die EU die Aufgabe übernimmt.

    Ende 2014 wurde „Mare Nostrum“ vom EU-Programm „Triton“ abgelöst. Anders als zuvor, bleiben Triton-Schiffe libyschen Gewässern fern. Sie sind nur noch vor der Küste Italiens unterwegs. (dpa)

    Einer Verwandten in Kanada vertraute Rihana Kurdi kürzlich an, sie habe Angst vor der Überfahrt nach Griechenland, weil sie nicht schwimmen könne. Sie ertrank wie ihre beiden Söhne, als das Schlauchboot kenterte. Insgesamt starben in jener Nacht zwölf Flüchtlinge an der türkischen Ägäis-Küste.

    Die türkische Regierung sieht sich nach dem Tod der Flüchtlinge in ihrer scharfen Kritik an Europa bestätigt. Der Westen wolle die Menschen aus Syrien und anderen Ländern von sich fernhalten, „koste es, was es wolle“, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte, das Schicksal der Flüchtlinge verdeutliche die Notwendigkeit, in Syrien eine militärisch gesicherte Schutzzone für Rückkehrer einzurichten. Dieser türkische Plan wird vom Westen mit erheblicher Skepsis betrachtet.

    Europa bedeutet die Rettung für viele Flüchtlinge

    An den türkischen Küsten setzten syrische Flüchtlinge ungeachtet der Gefahren ihre Versuche fort, über die Ägäis nach Griechenland zu gelangen. Auch von jener Bucht bei Akyarlar aus, an deren Strand der kleine Aylan tot aufgefunden wurde, fuhren erneut Schlauchboote los. „Sterben tun wir sowieso“, sagte der Syrer Hansa Baken der privaten türkischen Nachrichtenagentur DHA im westtürkischen Izmir. In Syrien sei ihnen der Tod gewiss. „Wenn wir rübergehen, haben wir immerhin eine kleine Chance, gerettet zu werden.“

    Natürlich haben auch Flüchtlinge wie Baken vom Schicksal des kleinen Aylan gehört, doch umstimmen konnte das Drama sie keineswegs. „Traurig“ sei das, was dem Jungen geschehen sei, sagte Baken. Aber: „Wir werden fahren.“ Muhammet Özen vom Selbsthilfeverein der Syrer in Izmir zufolge wagen jede Nacht mehrere tausend Menschen die Überfahrt. Im Durchschnitt komme einer von hundert Flüchtlingen dabei ums Leben. Wegen der Aussichtslosigkeit in Syrien nähmen die Menschen dennoch das Risiko auf sich. „Europa bedeutet für sie die Rettung.“

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