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Flüchtlings-Gipfel: EU verdreifacht Mittel für Seenotrettung

Flüchtlings-Gipfel

EU verdreifacht Mittel für Seenotrettung

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    Europa sagt Schleuserbanden den Kampf an und verdreifacht die Mittel für Seenotrettung.
    Europa sagt Schleuserbanden den Kampf an und verdreifacht die Mittel für Seenotrettung. Foto: Opielok Offshore Carriers/dpa

    Europa sagt den Schlepperbanden im nördlichen Afrika den Kampf an. Als Konsequenz aus den jüngsten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer verständigten sich die 28 Staats- und Regierungschefs bei ihrem Krisentreffen in Brüssel auf eine schnelle und drastische Verbesserung der Seenotrettung. Neben, Deutschland das zwei Schiffe und 600 Soldaten bereitstellen will, erklärten sich auch Großbritannien, Frankreich und weitere Staaten bereit, Marine-Einheiten zu verlegen. Das bisherige Budget wird von drei auf neun Millionen Euro pro Monat angehoben.

    Angela Merkel: "Das Wichtigste ist jetzt, Leben zu retten."

    „Das Wichtigste ist jetzt, Leben zu retten. Geld darf da keine Rolle spielen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel. Der britische Premier David Cameron kündigte an, einen Hubschrauber-Träger ins Mittelmeer zu entsenden. Das Einsatzgebiet soll vorerst nur eine Zone von 56 Kilometern vor Italien umfassen.

    Das Zehn-Punkte-Programm, auf das sich die Staats- und Regierungschefs verständigten, beruht auf drei Säulen: Verbesserung der Seenotrettung, Kampf gegen die kriminellen Schleuserbanden sowie erste Versuche, die aufgenommenen Flüchtlinge gerechter zu verteilen. „Die beste Möglichkeit, Menschen zu schützen, besteht natürlich darin, sie am Einsteigen in die Boote zu hindern“, betonte Ratspräsident Donald Tusk.

    Chronologie: Mittelmeer-Dramen um Flüchtlinge

    Seit Jahren kommen im Mittelmeer immer wieder Bootsflüchtlinge auf dem Weg nach Europa um.

    Mai 2016: Innerhalb von nur einer Woche sterben nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR mindestens 700 Menschen bei mehreren Schiffunglücken.

    August 2015: Vor der Küste Libyens sollen beim Untergang zweier Flüchtlingsboote mindestens 200 Menschen umgekommen sein. In den Tagen zuvor ersticken rund 100 Flüchtlinge in Laderäumen von Schiffen.

    April 2015: Vor den libyschen Küsten kentert ein voll besetztes Flüchtlingsboot. Zunächst können nur 28 Menschen gerettet werden, die Einsatzkräfte befürchten bis zu 700 Tote. Erst wenige Tage zuvor waren laut Überlebenden 400 Menschen nach einem Unglück vermisst worden.

    Februar 2015: Vor der italienischen Insel Lampedusa kommen möglicherweise mehr als 330 Flüchtlinge ums Leben. Mindestens 29 von ihnen sterben während der Überfahrt von Libyen nach Italien in kaum seetüchtigen Schlauchbooten an Unterkühlung.

    September 2014: Nur zehn Menschen werden gerettet, als ein Boot mit angeblich mehr als 500 Migranten im Mittelmeer untergeht. Überlebende berichten, dass Menschenschmuggler das Schiff mit Syrern, Ägyptern, Palästinensern und Sudanesen auf dem Weg nach Malta versenkt hätten.

    Juli 2014: Bei einer Flüchtlingstragödie vor Libyens Küste ertrinken mindestens 150 Menschen. Die libysche Küstenwache findet Leichen und Wrackteile eines Schiffes vor der Stadt Khums.

    Oktober 2013: Mindestens 366 Flüchtlinge ertrinken bei Lampedusa. Ihr Boot fängt Feuer und kentert. Die Küstenwache kann 155 Menschen in Sicherheit bringen. Sie stammen überwiegend aus Somalia und Eritrea.

    Juni 2012: 54 Flüchtlinge sterben, als sie bei starken Winden in einem Schlauchboot von Libyen aus Italien erreichen wollen. Ohne Vorräte trinken sie Meerwasser. Ein Mann aus Eritrea überlebt.

    August 2011: Ein Boot erreicht mit 270 überlebenden Afrikanern Lampedusa. Unter Deck liegen die Leichen von 25 Männern, die vermutlich an Abgasen erstickt sind. 100 Tote seien zudem über Bord geworfen worden, sagt ein Überlebender.

    Juni 2011: Vor der Küste Tunesiens gerät ein Boot mit Flüchtlingen aus Afrika und Asien auf dem Weg nach Italien in Seenot. Nur wenige können gerettet werden; bis zu 270 Menschen bleiben verschollen. (dpa)

    In ihrem Schlussdokument sprechen sich die EU-Spitzen deshalb auch für intensive diplomatische Bemühungen mit den Führungen in Libyen, Tunesien, Ägypten, Mali, Niger und im Sudan aus, um deren Grenzkontrollen zu intensivieren, die Fluchtursachen zu beseitigen und eine Zusammenarbeit mit der EU zu beginnen oder fortzusetzen. „Wir schicken nicht nur Militär in die Region“, sagte Luxemburgs Premier Xavier Bettel. Man bemühe sich auch um politische Lösungen.

    Eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge muss her

    Das UN-Flüchtlingshilfswerk kritisierte, der Zehn-Punkte-Plan sei „zu wenig“. Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates sprach von „unzureichenden Maßnahmen“. Kritik wurde vor allem laut, weil sich die Mitgliedstaaten weigerten, über ein Quotensystem zu beraten, das eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge entsprechend der Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl vorsieht. Aus der französischen Delegation hieß es, man wolle der Migrations-Strategie, welche die EU-Kommission im Mai vorstellen werde, nicht vorgreifen.

    Deutschland sperrt sich, wie auch andere Mitgliedstaaten, bisher gegen eine Aufweichung der sogenannten Dublin-II-Regel. Diese weist die Verantwortung für einen Flüchtling dem Land zu, in dem der Betreffende die EU betritt. Aber selbst die Christdemokraten im Europäischen Parlament denken um. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), sagte vor dem Gipfel: „Die Flüchtlinge sind nicht nur eine Aufgabe für wenige Mitgliedstaaten, sondern eine Herausforderung für ganz Europa.“ Es könne nicht sein, dass lediglich acht Länder Asylbewerber aufnehmen, während alle anderen dichtmachten.

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