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Flüchtlinge: Kritik an Seehofer nach Suizid eines abgeschobenen Afghanen

Flüchtlinge

Kritik an Seehofer nach Suizid eines abgeschobenen Afghanen

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    Ein vor einer Woche aus Deutschland abgeschobener afghanischer Asylbewerber hat sich nach seiner Rückkehr offenbar umgebracht.
    Ein vor einer Woche aus Deutschland abgeschobener afghanischer Asylbewerber hat sich nach seiner Rückkehr offenbar umgebracht. Foto: Jens Büttner, dpa (Symbolbild)

    Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist nach dem Tod eines aus Deutschland abgeschobenen Afghanen massiv in die Kritik geraten. Der 23-Jährige nahm sich nach Angaben afghanischer Behörden vom Mittwoch das Leben. Aus der Opposition wurde Seehofers Rücktritt gefordert. Der Innenminister hatte sich zufrieden über die Abschiebung gezeigt: Ausgerechnet an seinem 69. Geburtstag seien 69 Menschen abgeschoben worden, sagte er.

    Von Politikern anderer Parteien wurde dem CSU-Vorsitzenden daraufhin "Zynismus" vorgeworfen. "So geht man einfach mit Menschen nicht um", sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) im Deutschlandfunk.

    Die umstrittene Äußerung machte Seehofer am Dienstag bei der Vorstellung seines "Masterplans Migration". "Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag - das war von mir nicht so bestellt - sind 69 Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden", sagte er. "Das liegt weit über dem, was bisher üblich war." Der Flug war am Mittwoch der vergangenen Woche von München aus gestartet.

    Die Kritik an Seehofer verschärfte sich, nachdem der Tod des jungen Mannes bekannt wurde. Ein Sprecher des afghanischen Flüchtlingsministeriums teilte am Mittwoch mit, dass der 23-Jährige sich in einer Unterkunft der Internationalen Organisation für Migration (IOM) offenbar das Leben genommen habe. Der IOM zufolge wurde der Mann am Dienstag in Kabul tot in einem Hotel gefunden, in dem abgeschobene Afghanen zwischenzeitlich untergebracht werden.

    Das Bundesinnenministerium wurde am Mittwoch über den Tod des Mannes unterrichtet, wie ein Sprecher in Berlin mitteilte. Der Sprecher bezeichnete den mutmaßlichen Suizid des aus Hamburg abgeschobenen Flüchtlinge als "fürchterlichen Vorfall".

    Abschiebungen nach Afghanistan sind umstritten

    Abschiebungen nach Afghanistan sind wegen der Sicherheitslage vor Ort umstritten. Die Bundesregierung schiebt trotzdem seit Kurzem nicht mehr nur Straftäter, Gefährder und solche Afghanen ab, die im Zuge des Asylverfahrens ihre Identität nicht preisgeben wollen. Gegen den 23-Jährigen habe es jedoch "verschiedene rechtskräftige Verurteilungen wegen Diebstahl und Körperverletzung" gegeben, sagte der Innenministeriumssprecher.

    In einer Erklärung von Pro Asyl hieß es, der junge Mann solle acht Jahre lang in Deutschland gelebt haben. "Durch die Abschiebung in eine perspektivlose Lage und in ein Land, dessen Realität er kaum noch kennt, wurde der junge Mann offenbar in eine Lage getrieben, in der er keinen Ausweg mehr sah", erklärte die Organisation.

    Die Opposition kritisierte Seehofer wegen seiner Aussage über die Abschiebung scharf. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), verlangte die Entlassung des CSU-Politikers. "Wer 69 Abschiebungen an seinem 69. Geburtstag feiert, ist offensichtlich falsch im Amt", sagte Jensen dem "Tagesspiegel" (Donnerstagsausgabe).

    Auch die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke forderte Seehofers Entlassung. "Ein Innenminister, der sich öffentlich darüber freut, dass Menschen in ein Kriegsland zurückgeschickt werden, hat offensichtlich nicht nur ein eklatantes Defizit an Mitmenschlichkeit, sondern auch an Qualifikation für sein Amt", sagte sie.

    Die Grünen-Politikerin Claudia Roth forderte, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen. An Seehofer gerichtet forderte die Bundestagsvizepräsidentin: "Die sprachliche und politische Verrohung, die er und seine CSU tagtäglich mit vorantreiben, muss ein Ende haben." (afp)

    So läuft ein Asylverfahren ab

    Ob ein Flüchtling in Deutschland bleiben darf oder nicht, entscheidet sich oft in einer persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das Gespräch gilt als wichtigster Termin im Asylverfahren.

    Antragsteller sollen Lebensumstände, Reiseroute und Verfolgungsschicksal schildern. Bei jedem Antrag prüft das Bundesamt, ob eine der Schutzformen vorliegt: Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder Abschiebeverbot.

    Gegen abgelehnte Bescheide können Betroffene klagen. Erste Instanz ist das Verwaltungsgericht. Bei einer Niederlage ist der Gang vor das Oberverwaltungsgericht oder den Verwaltungsgerichtshof möglich – falls die Klage zugelassen wird. Letzte Instanz des Revisionsverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht.

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