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Flüchtlinge: 300 Polizisten bei Großrazzia - Parteien machen Druck in Asylfrage

Flüchtlinge

300 Polizisten bei Großrazzia - Parteien machen Druck in Asylfrage

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    Polizisten in einem Cafe im Düsseldorfer Nordafrikaner-Viertel.
    Polizisten in einem Cafe im Düsseldorfer Nordafrikaner-Viertel. Foto: Maja Hitij, dpa

    Als Schritt zur Bewältigung der Flüchtlingskrise will die Union die Asylverfahren für Marokkaner, Tunesier und Algerier beschleunigen. Die SPD hat im Prinzip zwar nichts dagegen, sieht das Problem aber in erster Linie bei den Abschiebungen, die nicht funktionieren. Die Zahl der aus diesen drei Maghreb-Staaten nach Deutschland kommenden Menschen war zuletzt stark gestiegen.

    Bei einer Großrazzia im Düsseldorfer Bahnhofsviertel, wo viele Nordafrikaner leben, überprüften 300 Polizisten am Samstagabend 294 Menschen. Es kam zu 38 vorübergehenden Festnahmen wegen illegalen Aufenthalts. Die Polizei stellte in zehn Fällen Strafanzeige wegen Delikten wie Drogen, Diebstahl, Betrug und unerlaubtem Waffenbesitz. 

    Unterdessen verstärken die Koalitionspartner SPD und CSU den Druck auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie müsse zügig die versprochene europäische Lösung in der Flüchtlingspolitik herbeiführen, sagte SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann der Deutschen Presse-Agentur. Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel setzte eine Frist: "Wenn die Maßnahmen im Frühjahr nicht Wirkung zeigen, bewegen wir uns auf Zahlen zu, die schwierig werden", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Bei einer Klausur der Parteispitze im brandenburgischen Nauen erklärte er: "Ich glaube, dass wir bis Frühjahr, Frühsommer ein Türkei-Abkommen schaffen müssen."

    Horst Seehofer drängelt

    Auch die CSU drängelt. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) drohte mit einer Verfassungsklage in Karlsruhe: "In den nächsten 14 Tagen werden wir die Bundesregierung schriftlich auffordern, an den Grenzen wieder rechtlich geordnete Verhältnisse herzustellen", sagte der CSU-Vorsitzende dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

    Wann dürfen Flüchtlinge arbeiten?

    Anerkannte Flüchtlinge dürfen ohne Einschränkungen arbeiten.

    Asylsuchende mit Aufenthaltsgenehmigung und geduldete Menschen, deren Asylantrag zum Beispiel abgelehnt wurde, können nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis erhalten und bundesweit Arbeit suchen - allerdings nur, wenn Ausländerbehörde und Bundesagentur für Arbeit zustimmen.

    Die Vorrangprüfung entfällt für Asylsuchende und Geduldete, wenn sie bereits 15 Monate in Deutschland leben. Nach vier Jahren muss die Bundesagentur überhaupt nicht mehr beteiligt werden.

    Es gibt Geduldete, die einem Arbeitsverbot unterliegen.

    Eine betriebliche Ausbildung dürfen Asylsuchende nach drei Monaten und Geduldete sofort beginnen, sofern kein Arbeitsverbot vorliegt – und ein Betrieb sich darauf einlässt: Die Ausländerbehörde kann für die Aufnahme einer Ausbildung eine Duldung zunächst für ein Jahr erteilen – und jeweils bei Bedarf verlängern.

    Rein schulische Berufsausbildungen sind für Asylsuchende und Geduldete rechtlich immer möglich und müssen nicht von der Ausländerbehörde genehmigt werden.

    Praktika zur Einstiegsqualifizierung, wie sie viele Konzerne anbieten, können sechs bis zwölf Monate dauern. Die Ausländerbehörde muss das genehmigen, die Arbeitsagentur nicht. Eine Förderung muss bei der örtlichen Arbeitsagentur beantragt werden.

    Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung dürfen sechs Wochen dauern und müssen von der Bundesagentur beantragt werden. Wieder gilt: Drei Monate Sperrfrist für Asylsuchende und Geduldete.

    Grünen-Chefin Simone Peters erklärte, die aufgeregten Rufe nach Ultimaten, Obergrenzen oder Bedingungen bei der Flüchtlingsaufnahme weckten unerfüllbare Erwartungen.

    Die Düsseldorfer Razzia war bereits vor den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht geplant gewesen. Einsatzleiter Frank Kubicki sagte am Sonntag: "Gleichwohl rechnen wir mit Erkenntnissen, die die Ermittlungen vorantreiben könnten." Das "Maghreb-Viertel" gilt als Rückzugsort für Drogendealer und Diebe, die überwiegend aus Marokko, Algerien und Tunesien stammen. 

    SPD zeigt sich offen für Vorschlag

    Die Union will Algerier und Marokkaner nach einem Zeitungsbericht in Zukunft wie Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten behandeln und in speziellen Rückführungseinrichtungen unterbringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wollten dies schon so handhaben, bevor beide Länder gesetzlich zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, berichtet die "Welt am Sonntag". Asylbewerber aus diesen Ländern sollten nicht mehr auf Kommunen in ganz Deutschland verteilt werden, sondern in speziellen Einrichtungen ein Schnellverfahren durchlaufen und gegebenenfalls direkt abgeschoben werden.

    Ähnlich wird bereits bei Flüchtlingen vom Balkan verfahren. Allerdings waren Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien und das Kosovo zuvor per Gesetz zu sicheren Herkunftsländern erklärt worden. Für Algerien und Marokko streben CDU und CSU dies ebenfalls an. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur, auch Tunesien müsse auf die Liste. Die SPD zeigte sich offen für den Vorschlag. Allerdings müsste im Bundesrat auch mindestens ein von den Grünen mitregiertes Land zustimmen. 

    Eine Unterbringung von Nordafrikanern in Rückführungszentren könnte die bayerische Landesregierung in Abstimmung mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einfach verfügen. Dort gibt es aktuell freie Plätze, da inzwischen weniger Asylbewerber vom Balkan kommen. Der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Es spricht alles dafür, auch Migranten ohne Bleibeperspektive aus dem nordafrikanischen Raum in die Rückführungseinrichtungen in Bamberg und Manching zu bringen." Nach Informationen der CDU) außerdem, das BAMF anzuweisen, Anträge aus Algerien, Marokko und Tunesien vorrangig zu bearbeiten. 

    Innenminister: "Unkooperatives Verhalten"

    Gabriel sagte, die Idee, Flüchtlinge aus Marokko und Algerien mit geringen Asylchancen in speziellen Erstaufnahme-Einrichtungen unterzubringen, sei ein alter Hut. Und: "Wir müssen einfach mal einhalten, was wir versprochen haben, statt jeden Tag eine neue Idee durchs Land zu schicken. Wichtiger sei es, den Regierungen in Nordafrika klar zu machen, dass sie abgelehnte Asylbewerber zurücknehmen müssten. 

    Die Innenministerien der Länder werfen Marokko, Algerien und Tunesien nach einem "Spiegel"-Bericht "unkooperatives Verhalten" bei Abschiebungen vor. Rund 5500 Nordafrikaner seien nach einem Papier der Innenbehörden Ende Juli 2015 ausreisepflichtig gewesen. Lediglich 53 konnten im ersten Halbjahr 2015 abgeschoben werden. dpa

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