Es war als Lob gedacht. Bei vielen Unternehmen in Deutschland dürfte das aber nicht so angekommen sein - ganz im Gegenteil. Die deutsche Wirtschaft habe richtig reagiert auf die Sanktionen der USA gegen den Iran, sagte US-Außenminister Mike Pompeo in einem Interview: "Sie sind geflohen."
Die Analyse ist zwar richtig. Aus deutscher Sicht allerdings heißt das: Der iranische Markt ist eingebrochen - und damit auch die Hoffnung auf gute Geschäfte.
Die deutsche Wirtschaft ist mit Blick auf den Iran in Katerstimmung. An diesem Montag werden schwere US-Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft gesetzt. Die USA wollen damit vor allem die Ölindustrie, aber auch den Finanzsektor und die Transportbranche im Iran mit den wichtigen Häfen massiv treffen.
"Extraterritoriale Sanktionen" heißen die Maßnahmen. Das bedeutet: die USA wollen Geschäfte unterbinden, die gar nicht über ihr Land abgewickelt werden. In einem ersten Schritt hatten die USA im August Sanktionen gegen einzelne Industriezweige wieder in Kraft gesetzt.
Die harte Gangart von US-Präsident Donald Trump macht sich für die deutsche Wirtschaft bereits negativ bemerkbar. Waren die Exporte in den Iran im Jahr 2017 noch um 16 Prozent auf rund 3 Milliarden Euro gestiegen, geht es seit Jahresbeginn bergab. In den ersten acht Monaten des Jahres 2018 gingen die Ausfuhren bereits um 4 Prozent zurück - Tendenz weiter sinkend.
Die Handelsbeziehungen würden von den US-Sanktionen im Finanz- und Logistiksektor deutlich getroffen, sagt Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Der Zahlungsverkehr gestalte sich bereits sehr schwierig, da kaum mehr Banken Geschäfte mit dem Iran abwickelten. "Deutsche Unternehmen ziehen sich angesichts der aktuellen Lage vermehrt aus der Islamischen Republik zurück und schließen ihre Repräsentanzen. Das Irangeschäft läuft Gefahr, gänzlich zum Erliegen zu kommen."
Die US-Sanktionen waren mit dem Iran-Atomabkommen von 2015 zunächst ausgesetzt. Weil Trump das Abkommen aber einseitig aufkündigte, werden nun Sanktionen wieder in Kraft gesetzt. Sie könnten den Iran massiv treffen. Das Öl- und Gasgeschäft ist die wichtigste Einnahmequelle des Landes. "Die iranische Wirtschaft steht bereits am Rande einer Rezession. Die Wirtschaft dürfte auf absehbare Zeit schrumpfen", sagt Schweitzer.
Industriepräsident Dieter Kempf findet deutliche Worte. Mit der Wiedereinführung der US-Sanktionen wachse das Risiko einer politischen Destabilisierung im Nahen Osten. "Die meisten Staaten haben erkannt, dass eine stärkere iranische Wirtschaft zur Stabilisierung der Region und Stärkung der Reformkräfte im Iran beitragen würde." Die Instrumentalisierung der Weltwirtschaft für politische Ziele der USA belaste die transatlantische Partnerschaft.
Alle Versuche der Mitunterzeichner Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die USA von einer Rückkehr in das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe zu überzeugen, sind gescheitert. Es hat noch nicht einmal ernsthafte Gespräche darüber gegeben. Ein ursprünglich für den Sommer geplantes Außenministertreffen dazu hat nie stattgefunden.
Die Fronten sind verhärtet. Die Bundesregierung ist zwar wie Trump der Meinung, dass die aggressive Politik des Irans in der Nahost-Region eingedämmt werden müsse. Sie will aber anders als die USA das Atomabkommen nicht als Druckmittel benutzen. Ein Scheitern des Abkommens könnte aus ihrer Sicht zu einem neuen Wettrüsten führen.
Um zumindest einen Teil der Wirtschaftsbeziehungen zum Iran aufrechtzuerhalten, arbeiten EU-Staaten derzeit mit Hochdruck am Aufbau einer sogenannten Zweckgesellschaft. Diese soll den Zahlungsverkehr bei Iran-Geschäften abwickeln, wenn sich private Banken wegen drohender US-Strafen dazu nicht mehr bereiterklären. EU-Diplomaten weisen aber darauf hin, dass die Gesellschaft europäische Unternehmen vermutlich nicht vor US-Sanktionen schützen könne. Sie sei daher vor allem für solche Firmen interessant, die lieber im Iran als in den USA Geschäfte machen wollten und deswegen einen Marktausschluss in den Vereinigten Staaten nicht fürchteten.
Das gilt für viele deutsche Unternehmen aber nicht. Und so wird damit gerechnet, dass sich viele Firmen aus dem Iran zurückziehen. Dabei galt das Land nach der Aufhebung jahrelanger westlicher Sanktionen im Zuge des Atomabkommens noch als Zukunftsmarkt. So meinte ein Manager des Logistikunternehmens DB Schenker Anfang 2016: "Es gibt so etwas wie eine Goldgräberstimmung." Die deutsche Wirtschaft wollte an alte Zeiten anknüpfen: in den 1970er Jahren war der Iran laut DIHK der zweitwichtigste Exportmarkt für deutsche Unternehmen außerhalb Europas, hinter den USA.
Ein Hauptproblem war auch nach dem Atomabkommen die schwierige Finanzierung von Projekten im Iran. "Das Iran-Geschäft ist und bleibt für Banken riskant", sagt Markus Becker-Melching, Mitglied der Geschäftsführung des Bankenverbands. "Gerne würden die privaten Banken dieses Geschäft machen. Die Themen Compliance, Geldwäschebekämpfung und Verhinderung der Terrorismusfinanzierung sind in der Bankenwelt aber von großer Bedeutung. Wir müssen Transaktionen aufwendig auf Risiken prüfen."
Zumindest beim Ölgeschäft gibt es keine Risiken für Deutschland. Im Wirtschaftsministerium heißt es, Deutschland sei nicht auf Öleinfuhren aus dem Iran angewiesen. Nach Zahlen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sind die Einfuhren aus dem Iran bereits stark zurückgegangen - der Iran liegt derzeit nur auf Rang 17 der wichtigsten Lieferländer. (dpa)
Interview Pompeo via State Department